1792 - Die Nachtjägerin
der Nähe. Wir verstecken uns und Sie hören sich an, was diese Person Ihnen zu sagen hat.«
»Meinen Sie, dass es klappt?«
»Verlassen Sie sich darauf.«
»Gut!« Er deutete auf eine zweite Tür. »Dahinter beginnt ein Flur. Da können Sie dann warten und sogar zuhören.«
»Das will ich hoffen«, sagte ich.
Danach hielt uns nichts mehr. Denn es war besser, wenn wir erst mal verschwanden …
***
Die Doppelgängerin!
Dieser Begriff hatte Irina Dark einfach nicht losgelassen, und sie wusste, dass es nicht falsch war, wenn sie so dachte. Es gab sie, und Irina wusste auch, dass die andere Person eine Beziehung zu ihr aufbauen wollte.
Davor fürchtete sie sich. Wenn das eintrat, wurde sie zu einer anderen Person, dann konnte sie nicht mehr über sich selbst bestimmen und musste anderen Gesetzen gehorchen.
So weit wollte sie es nicht kommen lassen. Sie hatte sich entschlossen, etwas dagegen zu unternehmen, und als Erstes musste sie ihre Angst loswerden.
Im Laden war sie zuletzt erschienen, und das war für Irina die Initialzündung gewesen. Sie wollte jetzt für sich kämpfen und sich nicht einfach fertigmachen lassen.
In der Nacht hatte sie das große und auch unheimliche Erlebnis gehabt. Da hatte sie das Gefühl, selbst als Schlafwandlerin unterwegs zu sein. Aber es hatte sie nicht fertiggemacht, es hatte sie gestärkt. Sie musste da allein durch und das würde sie auch schaffen.
Komischerweise waren ihr die Ereignisse aus der Nacht immer noch sehr präsent. Sie würde den Weg im Traum und auch bei dichtem Nebel finden. Das alles lag wie ein aufgeschlagenes Buch auf ihrer Hand, und das musste sie für sich nutzen.
Jetzt musste es zur Sache gehen, und da wollte sie nicht kneifen. Der Friedhof war ihr wichtig, und dorthin musste sie.
Sie besaß kein Auto, aber sie wusste, wie sie an einen Wagen herankam. Es gab diese Mietwagen-Zentrale, die überall ihre Filialen hatte. Wer keinen Wagen hatte und unbedingt einen benötigte, der konnte sich dort ohne Probleme einen leihen, vorausgesetzt, er war Mitglied, und das traf bei ihr zu.
Es genügte ein Anruf. Sie bekam die Daten und konnte sich einen Wagen holen. Zu diesem Platz konnte sie mit dem Fahrrad fahren und es dort auch abstellen.
Einen Schlüssel bekam sie von einer Frau, die in ihrem Glashaus saß und den kleinen Parkplatz überwachte. Irina kannte sie, und man wünschte sich alles Gute. Dann fuhr sie los. Sie war nervös und auch keine so perfekte Autofahrerin. Dass sie trotzdem ohne Unfall durchkam, war viel Glück. Sie war erregt und fürchtete sich davor, dass plötzlich ihre Doppelgängerin erschien.
Der Osten der Stadt erstickte nicht so stark im Verkehr. Da kam sie besser voran. Für den Smart waren die schmalen Wege und Straßen kein Problem.
Trotzdem atmete sie auf, als sie endlich die Mauer des Friedhofs in der Nähe sah. Ein Stück musste sie daran entlang fahren, dann hatte sie es geschafft.
Sie hielt an, stieg aus und schaute sich zunächst mal um, ob sich irgendwas ereignet hatte, auf das sie achtgeben musste. Nein, sie sah nichts, was verdächtig gewesen wäre.
Blieb der Weg auf den Friedhof und der zur Leichenhalle. Dort war es passiert. Dort hatte sie das Gefühl gehabt, einen Toten ausgesaugt zu haben.
Eine schreckliche Vorstellung, die sie zittern ließ. Aber sie riss sich zusammen und wollte auf keinen Fall nachgeben. Einmal hier, musste sie es auch durchziehen.
Sie betrat den Friedhof und wusste nicht, ob sie darüber froh sein sollte, dass er leer war. Sie sah keinen Menschen, hörte auch keine fremden Stimmen und setzte den Weg fort, ohne dass sie richtig darüber nachdachte, wohin sie ging.
Und dann hörte sie doch etwas. Nicht weit entfernt vernahm sie Schritte. Das war dort, wo sich die Leichenhalle befand, also nicht so weit entfernt.
Sie ging schneller und sah einen Mann, der auf sie zukam. Er hatte schwarze Haare, einen breiten Mund mit breiten Lippen und machte keinen unsympathischen Eindruck.
Er würde sie auf jeden Fall ansprechen, egal, was sie machte, und deshalb blieb sie auch stehen.
Der Mann kam näher. »Das ist gut, dass Sie angehalten haben. Ich hätte Sie sonst darum gebeten.«
»Okay. Und jetzt?«
»Sollten wir mal miteinander reden.«
Irina Dark sagte nichts. Sie ahnte allerdings, dass der Mann mehr wusste und dass er sogar auf sie gewartet hatte. Irgendwie hatte sie das im Gefühl.
»Ich heiße Jeb Fisher«, sagte der Mann.
Irina nickte. Mit leiser Stimme nannte auch sie ihren Namen, und ihr
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