1792 - Die Nachtjägerin
ich schauten uns an. Jetzt verlief das Gespräch in eine andere Richtung und mein Freund setzte noch mal mit einer Frage nach. »Sie haben nicht mit ihr gesprochen? Warum nicht?«
»Weil sie weg war. Ja, urplötzlich war sie weg. Ich konnte es nicht fassen. Ich habe sie nur für einen winzigen Moment aus den Augen gelassen, da war sie verschwunden.«
»Und wo hat sie gestanden? Hier im Zimmer oder …«
Jeb Fisher winkte ab. »Unsinn. Sie ist nicht mal bis zu mir in die unmittelbare Nähe gekommen. Sie war draußen vor dem Fenster, blickte hier herein und verschwand dann wieder.«
Ich nickte und sagte: »Aber Sie haben sich die Frau genau anschauen können?«
»Ja, das habe ich. Dazu war Zeit genug.«
»Und?«
»Ich kannte sie nicht, ich habe sie zum ersten Mal gesehen. Sie wollte auch gar nicht ins Büro kommen, sie blieb draußen, und als ich dann draußen war, da war sie verschwunden. Einfach so. Ich hatte den Eindruck, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Aber das gibt es ja nicht.«
»Stimmt.«
Jeb Fisher schaute mich an. »Mehr kann ich nicht sagen. Obwohl nichts passiert ist, hat mich dieser Besuch beunruhigt. Der hatte doch was zu bedeuten – oder nicht?«
Er sah uns an und hoffte, Antworten zu bekommen.
Ich nickte ihm zu. »Ja. Es ist möglich, dass die Person hier war, um etwas Bestimmtes zu suchen oder nach etwas Bestimmtem zu forschen.«
»Ja, darum drehen sich meine Gedanken auch«, gab Jeb Fisher zu, »aber was könnte es gewesen sein?«
»Keine Ahnung.«
Die Antwort hatte ich gegeben. Jetzt meldete sich auch noch Suko. Er sagte etwas, hinter dem auch ich voll und ganz stand.
»Dieser Besuch kann natürlich etwas mit dem Vorgang zu tun haben, der Sie so aus dem Konzept gebracht hat. Eben die Veränderung der Leiche.«
Jeb Fisher gab keine Antwort. Er saß starr auf seinem Platz und wischte langsam über seine Stirn, die leicht feucht glänzte. »Meinen Sie das wirklich?«
»Ja.«
»Aber was hätte die Frau davon gehabt?«
»Keine Ahnung«, sagte Suko. »Man müsste sie fragen, wenn man sie zu Gesicht bekommt.«
»Da können Sie lange warten.«
Jetzt mischte ich mich an. »Das glaube ich wiederum nicht.«
Zwei Augenpaare starrten mich an. Ich sah, dass Suko nickte, aber Jeb Fisher verlangte es wohl nach einer Erklärung. Ich sprach davon, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass eine Frau hier erschien, sich ein wenig umschaute und dann wieder verschwand. »Die muss doch einen Grund gehabt haben, denn so schön ist es hier auch nicht.«
»Den hatte sie auch bestimmt«, sagte Jeb.
»Und Sie können sich nicht vorstellen, welchen?«
»Nein. Aber wenn man sie mit dem in Zusammenhang bringt, was in der Nacht passiert ist, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass sie nach Leichen geschaut hat.«
»Waren denn welche da?«
Jeb Fisher lachte leise. »Ja, eine.«
»Wieder eine Frau?«
»Ja, Mister Sinclair. Eine noch junge Frau. Ich schätze sie auf knapp dreißig Jahre.«
»Woran starb sie?«
Fisher senkte den Blick. Seine Antwort glich einem bösen Flüstern.
»Heroin.«
»Scheiße«, sagte ich halblaut.
»Ja, da haben Sie recht. Ob es aber einen Zusammenhang zwischen den beiden Frauen gibt, ich weiß es nicht. Ich kann ihn mir auch nicht vorstellen.«
Ich wusste im Moment auch nicht mehr weiter und stand auf. Wir hatten uns eigentlich mehr von diesem Besuch versprochen.
Auch Suko war aufgestanden. Da wir beide standen, schob auch Jeb Fisher seinen Stuhl zurück, schob sich seitlich an seinem Schreibtisch vorbei und musste dabei das Fenster passieren.
Auf halber Strecke hielt er an. Er drehte den Kopf noch weiter nach links und fing an, kräftig zu lachen.
»Was haben Sie denn?«, fragte Suko.
»Sie werden es nicht glauben, aber draußen erscheint genau die Frau, von der wir gesprochen haben.«
»Wirklich?«, fragte ich.
»Ja, kommen Sie mal zum Fenster und schauen Sie.«
Das taten Suko und ich gern. Ein Blick reichte uns. Dort stand tatsächlich eine schwarzhaarige Frau, und sie sah auch so aus, wie der Mann sie uns beschrieben hatte.
»Was machen wir jetzt?«
Wir blieben dem Mann die Antwort schuldig. Dafür schoss mir etwas anderes durch den Kopf, das ich loswerden musste.
»Wenn diese Frau zurückgekehrt ist, dann nicht ohne Grund. Sie will etwas von Ihnen, Jeb.«
»Das hätte sie doch gekonnt. Warum hat sie sich so komisch verhalten?«
»Keine Ahnung.«
Er schaute uns an. »Und was mache ich jetzt?«
»Wir tauchen ab«, sagte ich, »bleiben aber in
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