1795 - Der Beißer
Reha etwas frei wurde. Betreuen konnten die Conollys ihn nicht unbedingt, aber das war kein Problem, ein Pfleger oder eine Pflegerin ließ sich schnell engagieren, was Bill auch geschafft hatte. Eine Frau mit dem Namen Wanda stand uns ab sofort zur Verfügung. Sie war sogar halbe Russin, denn ihr Vater kam aus Moskau.
Und jetzt wartete ich auf den Flieger. Aber nicht allein, denn ich hatte meinen Freund Bill Conolly mitgenommen, der neben mir auf der Sitzbank hockte. Für einen Abtransport des Gastes war gesorgt. Ein entsprechender Wagen wartete in einer Parkposition auf uns.
Bill Conolly wusste, dass Wladimir und ich uns gut verstanden und dass er auch jemand war, der gegen sein Schicksal ankämpfte.
Auch jetzt war das unser Thema. Und Bill Conolly fragte wieder: »Glaubst du, dass er es schafft?«
»Was meinst du?«
»Dass er wieder gesund wird.«
»Ich habe keine Ahnung, Bill. Aber eher nicht. Es sei denn, die Medizin macht schon heute gewaltige Fortschritte. Ansonsten sehe ich ihn mehr noch im Rollstuhl.«
»Ist auch nicht spannend.«
»Das kannst du laut sagen. Wladimir war ein harter Bursche. Einer, dem man nichts vormachen konnte. Und er hat gekämpft, aber es war leider vergebens. Die Kugel war schneller als er.«
»Ja, manche Menschen trifft es wirklich hart. Da haben wir lange Zeit Glück gehabt.«
»Du sagst es, Bill.«
»Und jetzt will man ihn trotzdem töten, obwohl er im Rollstuhl sitzt?«
»Danach sieht es aus.«
»Aber er tut doch keinem Menschen etwas.«
»Ja, das ist wohl wahr.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber es stimmt nicht so ganz. Ich habe dir doch gesagt, dass er seine Zeit nicht nur in der Reha verbringt. Er ist auch hin und wieder im Büro und arbeitet mit. Er wäre sonst vor die Hunde gegangen, wie man so schön sagt.«
»Ja, das kann durchaus sein.« Bill lachte kurz auf. »Würde mir ja nicht anders ergehen.«
»Das kann ich auch für mich so einloggen.«
Der Reporter schaute auf die Uhr. »Lange kann es nicht mehr dauern, wenn der Flieger pünktlich ist.«
Das war er leider nicht. Wir erfuhren, dass es noch dauern würde. Die genaue Zeit der Verspätung war nicht angegeben worden. Das konnte ja heiter werden. Nicht jeder wartet gern, und da machten auch wir keine Ausnahme.
Bill war der Meinung, dass man auf dem Airport immer trockene Münder bekommt, deshalb zog er los, um uns etwas zu trinken zu holen. Ich war mit einem Wasser zufrieden, das er für sich ebenfalls mitbrachte.
»So spartanisch?«, fragte ich grinsend.
»Wir sind im Dienst.«
»Ach ja – stimmt.« Ich grinste. »Dann darf ich dich einen Kollegen nennen?«
»Aber immer.« Bill stieß mit seiner Flasche gegen die meine. »Cheers, Kollege.«
Wir tranken, ließen die Flaschen sinken und schauten wie auf einen geheimen Befehl auf die Tafel, auf der die ankommenden Maschinen angezeigt wurden.
»Verspätung«, sagte Bill. »Schau selbst.«
Das tat ich und war nicht eben begeistert. Es ging um eine halbe Stunde, und ich hoffte, dass es auch bei dieser Zeit blieb.
»Dann warten wir eben«, meinte Bill.
Ich hatte noch eine Frage. »Wollt ihr die Betreuerin denn auch bei euch wohnen lassen?«
»Ja.«
»Und wo?«
Er grinste. »Kannst du dich denn nicht mehr an unseren Keller erinnern? Der ist doch so etwas wie eine zweite Wohnung. Da gibt es eine Dusche, ein Schlafzimmer und ansonsten …«
»Fehlt ein Lift«, sagte ich.
»Ja, das stimmt. Es fehlt ein Lift, wir werden ihn aber auch nicht einbauen lassen.«
»Würde ich auch nicht tun.«
»Und diese Betreuerin, Wanda, ist in Ordnung, John, das ist eine Frau, die sich Respekt verschaffen kann, das sage ich dir.«
Ich schaute ihn an. »Hast du das schon mal zu spüren bekommen?«
»Kannst du laut sagen.«
»Und wie?«
»Egal. Sie wollte nicht, dass ich mich in ihre Angelegenheiten mische.«
Ich musste grinsen. »Und was hast du getan?«
»Ich bin aus dem Keller geflohen, bevor es schlimm werden konnte.«
»Was hat denn deine bessere Hälfte Sheila dazu gesagt?«
»Sie?« Bill winkte ab. »Das glaubst du gar nicht, John. Das ist schon schlimm.«
»Sag schon.«
Er senkte seine Stimme. »Beide Frauen verstehen sich prächtig. Da habe ich nichts mehr zu sagen, das ist so. Ich kann es nicht ändern und muss mich damit abfinden.«
»O ja. Wenn ich Zeit habe, dann werde ich dich mal so richtig bedauern.«
»Tu das, bitte.« Bill reckte sich. »Wir Männer müssen ja zusammenhalten.«
»Das denke ich auch.«
Bill schnippte mit den Fingern.
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