1798 - Drei Henker für Sinclair
Geräusch zu hören war, abgesehen von meinem eigenen Atem.
Ich zog die Tür immer weiter auf. Vor mir lag die Kellertreppe, und sie war zu sehen, da das Licht eingeschaltet war. Von einer gleißenden Helligkeit konnte man nicht sprechen. Es brannte die normale Beleuchtung, und die sorgte für ein weiches Licht, das sich bis zum Boden ausbreitete.
Die Stufen der Treppe waren leer. Das hatte ich auch erwartet. Die Besucher und mein Vater hielten sich weiter unten auf, und ich glaubte auch nicht daran, dass sie eine Wache aufgestellt hatten. Fast normal ging ich die Treppe hinab. Ich kannte ja hier alles, und trotzdem hatte ich das Gefühl, etwas Fremdes zu erleben.
Ich ließ auch die letzte Stufe zurück und musste dann ein paar Schritte laufen, um den Raum zu erreichen, in dem mein Vater immer den Besuch empfing.
Ich hatte die Strecke schnell hinter mich gebracht und hielt dich vor der Tür an. Ich lauschte nicht. Zudem gab es nichts zu lauschen, denn die Tür war dicker als die normalen. Das fiel mir erst jetzt auf, und darüber machte ich mir schon Gedanken. Bestimmt sollte niemand hören, was dahinter gesprochen wurde.
Ich wollte es wissen. Ob die Tür von innen abgeschlossen worden war, wusste ich auch nicht. Ich musste erst mal abwarten und versuchte einen Blick durch das Schlüsselloch zu werfen.
Dahinter war es hell. Viel sah ich nicht, keine Männer, nicht einmal Umrisse, und es war auch nicht viel zu hören, obwohl sich die Männer unterhielten. Sie sprachen, aber ich verstand nicht, was sie sagten.
Reichte das?
Es hätte reichen können, aber ich war nicht zufrieden. Ich wollte mehr wissen und natürlich mehr sehen. Einfach einen heimlichen Blick in den Kellerraum werfen, das war es dann.
Ich an ihrer Stelle hätte die Tür abgeschlossen, aber vielleicht fühlten sich die Gäste bei uns auch so sicher, dass sie daran gar nicht dachten.
Ich tat es.
Ich drückte die Klinke.
Dabei fühlte ich mich plötzlich wie ein anderer Mensch. Es war schon eigenartig. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt. Ich glaubte, über dem Boden zu schweben, aber nicht vor Freude. Erst mal musste ich sehen, ob ich etwas erreichte.
Die Tür öffnete sich, und sie öffnete sich lautlos.
Ich hörte etwas aus dem Kellerraum vor mir.
Stimmen …
Nicht laut, mehr flüsternd, aber bestimmend. Eine Sekunde später waren mir die Stimmen egal. Denn jetzt hatte ich einen Blick in den großen Kellerraum werfen können.
Da sah ich sie.
Wie viele Männer es waren, das zählte ich nicht nach. Sie alle hatten sich um den Tisch verteilt, und ich wusste nicht, welchen Platz mein Vater eingenommen hatte.
Es war seltsam.
Die Männer waren bestimmt verschieden, aber hier sahen sie fast alle gleich aus, denn ihre Gesichter waren durch Silbermasken verdeckt …
***
Ich schüttelte den Kopf und wollte mich zurückziehen, aber das schaffte ich nicht. Ich blieb starr stehen, schaute durch den Spalt in den Raum, sah nicht alle Besucher am Tisch sitzen, aber diejenigen, die ich sah, trugen dunkle Anzüge und Masken vor den Gesichtern.
Silbermasken, die glänzten, weil das Licht auf sie fiel und ihnen diesen Glanz gab. Es gab Öffnungen für die Augen, den Mund und die Nase. Und doch war nicht zu erkennen, wer sich darunter verbarg.
Es war ein großer, ovaler Tisch, an dem die Gestalten saßen. Ich konnte nicht fassen, dass einer dieser Männer mein Vater sein sollte. Warum tat er sich das an? Warum versteckte er sein Gesicht hinter einer silbernen Maske?
Das war doch ungewöhnlich. Es war befremdlich für mich, und ich mochte es nicht. Noch hatte ich nicht gesehen, wer von diesen Männern mein Vater war. Auch von der Kleidung her sahen sie gleich aus, denn alle trugen die grauen Anzüge, und sie machten den Eindruck von Geschäftsleuten, die sich zu einem Meeting getroffen hatten.
Niemand hatte gesehen, dass sich die Tür spaltbreit geöffnet hatte. Und deshalb war ich auch nicht entdeckt worden. Ich hoffte, dass es so bleiben würde.
Gewöhnt hatte ich mich nicht an dieses Bild. Ich war gespannt darauf, was hier noch alles passieren würde. Im Moment herrschte eine eigenartige Atmosphäre. Niemand sprach laut oder verständlich.
Aber es waren Stimmen vorhanden. Die Männer flüsterten nicht, sie redeten halblaut, und eine bestimmte Person wurde angesprochen.
»Wir haben dir bis beute Zeit gegeben, Horace. Jetzt wollen wir deine Entscheidung.«
»Das weiß ich.«
»Und? Hast du dich entschieden?«
»Ja.« Horace F. Sinclair
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