1798 - Drei Henker für Sinclair
Es stand auf einem Hügel. Ein schöner Platz, muss ich ehrlich sagen. Ich hätte sie nie und nimmer dort wegholen können.«
»Davon weiß ich nichts, ehrlich gesagt.«
Sir Gerald winkte ab. »Es ist auch nicht wichtig. Aber du bist nicht zu mir gekommen, um mit mir über derartige nostalgische Dinge zu sprechen.«
»Das stimmt.«
»Dann rück mal damit heraus, John. Es ist wirklich toll, den Sohn meines alten Freundes Horace zu sehen. Ich habe ja viel von dir gehört und auch deinen Weg verfolgt, so gut es mir möglich war. Nicht schlecht, muss ich sagen. Du hast es zu was gebracht. Das muss man zugeben.«
»Man tut, was man kann.«
Die Nichte erschien und fragte, ob sie etwas zu trinken bringen sollte.
»Was ist, John? Kann ich mit einem Whisky dienen?«
Ich wollte mich nicht anstellen und sagte: »Mit einem schon. Ansonsten nehme ich Wasser.«
»Ja, das ist gut. Trinke ich auch. Ich werde mal so tun, als wäre ich im Dienst, aber das bin ich leider seit Längerem nicht mehr.«
Seine Stimme klang traurig.
Beide saßen wir in Sesseln mit hoher Lehne. Der Mann mir gegenüber sah aus, als hätte er das achtzigste Lebensjahr bereits erreicht. Er war hager, hatte schlohweißes Haar, das eine Schere schon gut hätte vertragen können. Aber die Augen waren noch immer hellwach, und in der straffen Gesichtshaut zeigte sich kaum eine Falte.
Die Nichte rollte einen Servierwagen heran, auf dem einige Getränke standen. Whisky gehörte dazu, aber auch Wasser und Gin. Die entsprechenden Gläser waren vorhanden, und Angela wusste genau, was zu tun war. Sie schenkte mir und Sir Gerald ein und überreichte uns dann die Gläser.
»Auf Ihr Wohl.«
»Danke, Angela, das ist nett. Sie können dann gehen, wir rufen, wenn wir Sie brauchen.«
Angela lächelte und zog sich zurück. Sie hatte zwar den Mund verzogen, doch das Lächeln hatte nicht ihre Augen erreicht. Mir kam es jedenfalls unecht vor.
»Das also ist Ihre Nichte«, sagte ich.
Sir Gerald kicherte. »Glaubst du das?«
»Nein, nicht direkt.«
»Da hast du recht.« Er rieb seine Hände. »Meine Nichte ist krank. Sie hat mir eine Vertretung geschickt, die ebenfalls Angela heißt. Scharfes Weib, was?«
»Kann man wohl sagen.«
»Die hat eine Figur, sage ich dir, einfach super.«
»Und wie lange ist sie schon hier?«
Der alte Schmecklecker schnalzte mit der Zunge. »Seit heute praktisch. Ein paar Stunden erst, aber es kommt mir vor, als würde ich sie schon immer kennen.« Er senkte seine Stimme. »Wenn ich ehrlich sein soll, dann vermisse ich meine Nichte nicht. Die sieht längst nicht so gut aus.« Er kicherte wieder. »Da kann man so alt werden wie ein Greis, aber der Spaß an schönen Frauen lässt nie nach, das kann ich dir sagen.« Er grinste breit.
»Und das war früher schon so.«
»Ja.«
»Auch bei meinem Vater?«
Ich hatte auf eine schnelle Antwort gehofft, doch den Gefallen tat Sir Gerald mir nicht. Er grinste breit und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nicht immer erzähle ich Dinge, die schon Jahre zurückliegen. Dein Vater war ein sehr anständiger Mensch, das waren wir alle, die wir uns kannten und uns zusammengefunden hatten. Wir waren auch mal jung oder jünger und hatten Ideale. Wir wollten die Welt verbessern, aber das war zu groß für uns. Da haben wir es dann im Kleinen getan. In unseren Berufen, versteht sich.«
»Sie waren Richter.«
»Ja. Und das mit Leib und Seele.« Er lehnte sich zurück und griff zu seinem Glas. »Lass uns auf alte Zeiten trinken, obwohl du ja nicht dabei gewesen bist. Wohl dein Vater, ein toller Mensch, auf den man sich verlassen konnte.«
Ich trank auch und fragte dann: »In jeder Hinsicht?«
Der Richter verzog den Mund. »Wie meinst du das?«
»Nun ja, ich habe gehört, dass sie so etwas wie einen Klub gegründet haben. Sie trafen sich in verschiedenen Häusern, auch bei uns, als wir noch in London lebten.«
»Das stimmt.«
»Und was war das für ein Klub?«
Er wiegelte ab. »Ein reiner Männerbund, wie man ihn Hunderte Male in unserem Land trifft. Das waren wir, und wir haben zusammengehalten.«
»Ja, ich hörte davon. Aber ich frage mich, warum sich die Klubmitglieder maskiert haben.«
Die Schultern des Richters zuckten hoch und fielen wieder herab. »Maskiert?«
»Ja. Das haben sie.«
»Wie denn?«
»Die silbernen Masken, Sir Gerald, die sie bei ihren Treffen getragen haben und damit ihre Gesichter unkenntlich machten. Darüber habe ich mich gewundert.«
Er sagte nichts und schüttelte nach
Weitere Kostenlose Bücher