18 - Eine Taube bringt den Tod
Ungerechtigkeit zu vermeiden. Die Kirche steht für das Recht ein, allen Menschen Schutz zu gewähren. Das Recht auf Asyl erkennen alle der Vernunft zugänglichen Völker an, und Regeln und Gesetze sorgen dafür, dass es eingehalten wird. Es gibt strenge Vorschriften, ob einer Person in der Kirche Zuflucht gewährt werden darf oder nicht. Mit der Freistatt allein ist es nicht getan, das Gesetz regelt auch, wie lange einem Verfolgten der Schutz der Kirche gewährt werden darf. Ich werde mir jetzt anhören, was der Angeklagte zu seiner Verteidigung zu sagen hat. Erst nach der Beweisaufnahme kann ein Urteil gefällt werden.«
Unmut machte sich in der Menge breit, doch Fidelma richtete ihre Worte unmittelbar an Barbatil.
»Ob wir so verfahren können, liegt in deiner Hand. Du führst die Männer hier an. Ein Wort von dir, und sie lassen ab von einem irregeleiteten Vorhaben. Sprich mit ihnen, denn sie laufen Gefahr, unnütz ihr Blut zu vergießen. Die Krieger dort werden das Recht auf die Kirche als Freistatt verteidigen. Es geht nicht darum, Macliau zu verteidigen, es geht um die Verteidigung eines höheren Prinzips – um das Recht der Kirche, Zuflucht zu gewähren. Es könnte deine Männer das Leben kosten. Willst du unnötiges Blutvergießen? Den Tod von vielen nur um der Rache willen? Glaubst du, deine Tochter könnte in Frieden ruhen, wenn sie wüsste, dass in ihrem Namen Unrecht geschieht?«
Sie sah den Mann mit sich ringen und betete, Bruder Metellus möge beim Übersetzen die gleiche Beredsamkeit finden, auf die sie bei ihrer Wortwahl geachtet hatte.
»Schick deine Freunde nach Hause, auf dass sie nicht blindwütig in den Tod gehen. Du aber bleib bei mir und höre mit an, was Macliau zu sagen hat. Du wirst sehen, dass mir nicht daran gelegen ist, ihn seiner Person wegen zu verteidigen, sondern dass es mir um die Wahrheitsfindung geht. Aus der Wahrheit wird sich für dich Gerechtigkeit ergeben.«
Noch zögerte der Bauer. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus und überreichte dem Mann namens Coric seine Waffe.
»Ich gehe mit dieser Fremden aus Hibernia«, sagte er langsam. »Warte hier auf mich.« Dann sprach er mit lauter Stimme zu den anderen: »Habt Dank, Freunde, für das, was ihr getan habt. Ich glaube an die Kirche und an Recht und Gesetz. Das Gesetz ist für alle Menschen da, wie ich denke, nicht nur für unsere Herren. Soll die fremdländische Glaubensschwester hier beweisen, dass ihre Worte nicht nur Schall und Rauch sind. Ich gehe mit ihr, will sehen und hören, was sie vollbringt, wie sie mir und meiner Familie Gerechtigkeit zuteilwerden lässt, Gerechtigkeit für uns alle, die wir durch die Überfälle der todbringenden Taube so viel bitteres Leid erfahren haben.«
»Was sollen wir tun, Barbatil?«, fragte eine Stimme aus der Menge.
»Zerstreut euch und geht nach Hause. Aber bleibt wachsam und haltet euch bereit, denn wenn hier Lügen verbreitet werden, setzen wir uns mit Macht zur Wehr.«
Nur widerwillig und murrend gingen sie auseinander, entfernten sich in kleinen Gruppen oder auch einzeln langsam von der Abtei. Ihre Waffen nahmen sie mit.
Bruder Metellus, den die Anspannung ungeheure Kraft gekostet hatte, war fast am Zusammenbrechen. Anders Bleidbara. Er konnte sich kaum zügeln und maß Barbatil mit grimmigen Blicken. Fidelma merkte, was in ihm vorging, und warnte ihn: »Was ich gesagt habe, habe ich nicht zum Spaß geäußert, Bleidbara. Barbatil steht unter meinem Schutz. Ihm darf nichts geschehen. Was er hat erleiden müssen, ist schlimm genug; bis zu einem gewissen Grad ist seine Handlungsweise verständlich. Er wird mit in die Kapelle kommen und unbehelligt zuhören, wenn wir Macliau befragen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
Bleidbara errötete beschämt und neigte gezwungenermaßen den Kopf. »Ja, Lady.«
Bruder Metellus standen die Schweißperlen auf der Stirn, aber die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen.
»Dir gebührt meine volle Anerkennung. Noch nie habe ich erlebt, dass sich eine Frau einer aufgebrachten Meute entgegenstellt und sie beschwört, Frieden zu bewahren. Mir war um uns alle bange.«
»Dabei hast du doch auch Mut bewiesen und Macliau Zuflucht gewährt, hast mit der Entscheidung dein Leben aufs Spiel gesetzt«, meinte sie lächelnd. »Du hast richtig gehandelt.«
»Seit uralten Zeiten ist das Schutzrecht an heiliger Stätte unantastbar. Wie sollte ich da selbst angesichts einer bewaffneten Schar
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