18 - Eine Taube bringt den Tod
zwei Tage hin und zwei zurück.«
»Wie ich hörte, war Kaourentin auf dem Weg von Bro-Gernev nach Naoned und stieg zufällig an der Abtei von Gildas ab, um Gastfreundschaft zu erbitten«, erklärte Canao. »Nach Bruder Metellus’ Worten war man der Ansicht gewesen, es sei besser, wenn statt meines eigenen bretat ein Richter aus Bro-Gernev meinen Sohn vernimmt. Die Leute würden das Urteil eines bretat von Brilhag nicht anerkennen.«
»Ist Bruder Metellus denn hier?«, fragte Fidelma.
»Er ist zusammen mit Kaourentin gekommen. Mir wäre Iarnbud, mein eigener bretat , lieber gewesen. Seinem Rat vertraue ich.«
»Ich will dir nicht verhehlen, dass auch Iarnbud tot ist«, teilte ihm Fidelma sachlich mit. »Ich erkläre dir später, wie es dazu kam.«
»Noch mehr Tote? Sind wir in irgendeiner Weise bedroht, Fidelma?« Der König war sichtlich erschrocken.
»Nicht nur in irgendeiner Weise, sondern auf jede Art und Weise«, entgegnete sie mit trockenem Humor. »Ich habe ja schon gesagt, wir müssen auf alles gefasst sein heute Nacht.«
»In die Burg einzudringen, würde sich niemand wagen.« Budic lachte abwehrend. »Wir haben genügend Wachposten.«
»Könnte ja sein, es muss niemand erst eindringen«, erwiderte Fidelma leise.
Riwanon überlief ein Schauer. »Du machst mir Angst, Fidelma. Was soll deine Bemerkung?«
»Ich will nur sagen, dass wir alle wachsam sein müssen, morgen entscheidet sich alles.«
»Morgen? Du sprichst immer wieder von ›morgen‹. Wieso morgen?«, fragte der König beunruhigt.
»Weil sich morgen alle Verstrickungen des Verbrechens offenbaren werden.«
KAPITEL 18
Wie ein Schwan glitt die Kormoran über die dunklen Wasser. Ihre Segel bauschten sich leicht in der vor dem Morgengrauen aufkommenden Brise. In der Takelung summte und flüsterte es wie die straff gespannten Saiten einer Lyra bei sanfter Berührung.
Gelassen gab Bleidbara dem Mann an der Ruderpinne Anweisungen und steuerte die Brigg in die im Westen noch liegende Dunkelheit, während hinter ihnen erste Lichtschimmer den neuen Tag ankündigten. Wieder bewunderte Eadulf das seemännische Geschick, mit dem diese Küstenbewohner auch große Schiffe lenkten. Er erinnerte sich, dass ihre Vorfahren schon vor Jahrhunderten der Flotte des Julius Caesar Tod und Verderben gebracht hatten.
Eadulf stand mit Heraklius an der Reling des Oberdecks im Hinterschiff, nicht weit vom Rudergänger. Neben ihnen hatte sich breitbeinig, die abgespreizten Daumen in den Gürtel geschoben, Bleidbara aufgepflanzt. Er schaute zum Mond, der tief unten am Westhimmel hing und schon so bleich war, dass man ihn kaum noch wahrnahm. Die Morgenluft war empfindlich kühl.
»Was meinst du, werden wir sie erwischen?«, fragte Eadulf und brach das Schweigen, das herrschte, seit der Befehl »Segel setzen« ergangen war. »Bei den vielen Inseln, hinter denen sie sich verstecken können, um uns zu entgehen, … und sind sie erst einmal in die offene See gelangt …«
»Eins darfst du nicht vergessen, Eadulf, jetzt strömt die Flut ins Morbihan«, antwortete ihm Bleidbara mit grimmigem Lächeln, »und die bricht mit solcher Gewalt herein, dass kein Schiff gegen die Strömung in der Durchfahrt ankommt. Sie sitzen fest bis zum Gezeitenwechsel, und der ist erst lange nach Sonnenaufgang. Die Flut ist hier sehr gefährlich, bis zu zwölf Fuß kann der Tidenhub ausmachen.«
Eadulf musste unwillkürlich daran denken, wie ihm Aourken den Durchlass ins Morbihan geschildert hatte. Von Seefahrt und Segelmanövern verstand er nicht viel, umso mehr erstaunte ihn, wie gut die Mannschaft aufeinander eingespielt war und mit welcher Wendigkeit sie das große Schiff beherrschte.
»Was hast du vor?«, wollte Heraklius von Bleidbara wissen.
»Ich werde bis Er Lannig segeln, ›Kleine Heide‹ heißt das übersetzt. Sie liegt vor dem Flutkanal. Hinter der Insel werden wir die Gezeitenströmung nicht so heftig verspüren. Das ist auch der äußerste Punkt, an dem die Koulm ar Maro warten kann, bis die Tide fällt. Sind sie nicht dort, halten wir auf Gavrinis zu, die ›Ziegeninsel‹, und segeln von dort nordwärts durch die große Bucht, wobei die Insel der Mönche steuerbords bleibt. Wenn ich kein ganz schlechter Seemann bin, spüren wir unsere Seeräuber irgendwo hier in diesen Gewässern auf.«
Bleidbara schien davon völlig überzeugt zu sein.
»Und wenn wir auf sie stoßen und sie Widerstand leisten, was dann?«, fragte Eadulf beunruhigt.
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