18 - Eine Taube bringt den Tod
mehr der Zorn des Abts bekümmerte als der Zustand seines Patienten.
Wortlos machte der Abt kehrt. Draußen platzte er, aufs höchste verärgert, heraus: »Nur dem Kranken zuliebe bin ich gegangen«.
»Um nicht mehr und nicht weniger haben wir dich gebeten«, bemerkte Eadulf frostig. Fidelma wunderte sich über seinen Ton, denn an sich war er im Umgang mit anderen friedfertig. »Der Kranke hatte uns Wichtiges mitzuteilen über die Kerle, die die Kaufleute angriffen und ermordeten. Seiner Beschreibung nach waren es genau die, welche unser Schiff enterten und den Prinz von Cashel töteten, den Vetter von Lady Fidelma.« Er verzichtete auf die Nennung ihres Klosternamens und betonte, dass sie die Schwester des Königs von Muman war. Ehe der Abt noch etwas erwidern konnte, fuhr Eadulf fort: »Das heißt, diese Mörder und Diebe haben ihr Lager irgendwo in der Nähe. Und das heißt weiterhin, auch deine Abtei ist von ihren Umtrieben bedroht.«
Abt Maelcar schien völlig sorglos. »Unsinn. Warum sollte jemand die Abtei angreifen wollen?«
»Es gibt genügend Gründe, warum eine Abtei angegriffen wird«, gab Bruder Metellus zu bedenken. »Da locken zum Beispiel kostbare Heiligenbilder oder auch wertvolle Geschenke, die dem Haus zum Lobe Christi überreicht werden.«
»Kein Räuber würde es wagen, in die Abtei des heiligen Gildas einzufallen«, schnauzte der Abt.
»Wenn sie es wagen, Handelsleute, die Güter für die Abtei heranschaffen, zu überfallen und zu ermorden, und das in unmittelbarer Nähe der Abtei, warum sollten sie dann nicht auch die Abtei selbst angreifen?« Fidelma sprach beherrscht, aber eindringlich. »Wenn sie es wagen, ein Schiff anzugreifen, das unter dem Schutz des Gesandten eines Königs steht, warum sollten sie sich dann nicht auch über eine abgelegene Abtei hermachen? Der Vorfall muss deinem Gebietsherrn oder seinem Statthalter zur Kenntnis gebracht werden, auf dass er seine schützende Hand auch hierher ausstrecken kann, falls ein Überfall droht.«
»Schierer Unsinn, was du da redest«, fauchte Maelcar. »Woher wissen wir, ob das, was dieser Mann da drinnen sagt, überhaupt wahr ist? Ein Verletzter kommt in die Abtei, erzählt ein Schauermärchen und macht alle wild – wer weiß denn, was er damit bezweckt?«
Fidelma schaute ihn überrascht an. »Du hast doch wohl längst jemanden dorthin geschickt, wo sich der Überfall ereignet hat, um dich zu vergewissern und zu sehen, ob es noch weitere Überlebende gibt, die zu geschwächt sind, sich hierher zu retten.«
Der Abt richtete sich zu einer betont selbstherrlichen Haltung auf. »Ich lasse mich nicht zu irgendeiner Handlung treiben, bevor ich nicht genau weiß, was vorgefallen ist.«
»Wie willst du erfahren, was vorgefallen ist, wenn du hier sitzt und Verhaltensregeln einforderst?«, warf sie ihm fassungslos vor. »Dort könnten noch Verwundete liegen, die sterben, weil sich niemand um sie kümmert. Wir müssen sofort aufbrechen und uns selber ein Bild von dem Tatbestand machen.«
»Ich kenne die Stelle, von der Berran gesprochen hat«, bot sich Bruder Metellus an. »Die ist keine halbe Meile von hier in einem Waldstück, geradezu ideal für einen Überfall.«
Wütend blitzte Abt Maelcar ihn an. »Ich verbiete dir, die Abtei zu verlassen.«
»Du magst Bruder Metellus verbieten, was du willst, aber uns wirst du nicht untersagen, das zu tun, was wir für richtig halten«, ereiferte sich Fidelma. »Als Schwester des Königs meines Landes, dessen Vetter, sein Gesandter, ermordet wurde, berufe ich mich auf die Befugnis, die ich dank dieses Amtsstabes habe, seine Mörder aufzuspüren.« Sie zog den Haselstab aus dem Gürtel, den sie bei sich trug, seit er aus Bressals lebloser Hand geglitten war. »Ich werde mich an den König dieses Landes wenden, der meinen Vetter als Gesandten empfangen und ihm zugesichert hatte, ihm allen Schutz angedeihen zu lassen. Ich werde auf meinem Recht bestehen. Dürfte Bruder Metellus uns nun erklären, welchen Weg wir einschlagen müssen …?«
»Nicht nur das, ich werde euch begleiten«, sagte er zu Fidelma, schaute aber unverwandt dem Abt ins Gesicht.
Der war über alle Maßen empört. »Hast du immer noch nicht Demut gelernt, Bruder Metellus? Habe ich dich nicht nach Hoedig gesandt, um dort in dich zu gehen und Demut zu lernen?«
»Demut hat mit der Sache hier nichts zu tun«, entgegnete der römische Mönch unerschütterlich.
»Die erste Stufe der Demut ist
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