18 - Eine Taube bringt den Tod
bedingungsloser Gehorsam«, schleuderte ihm der Abt mit Donnerstimme entgegen. »Besagt nicht die Regula des heiligen Benedikt, dass jede Anordnung, die der Obere einer Abtei trifft, unverzüglich auszuführen ist? Unverzüglich und ohne Aufschub. Dem Befehl ist zu gehorchen, als hätte ihn Gott selbst erteilt. Du wirst mir gehorchen ohne jede Widerrede.«
Bruder Metellus schüttelte heftig den Kopf. »Gehorsam ist niemals blind«, erklärte er mit leiser Stimme. »Gehorsam verlangt auch Klugheit bei der Übernahme von Rechten und Pflichten. Entscheidungen kann nur wissentlich treffen, wer die Wahl hat, Gutes zu tun und Böses zu meiden. Zu missachten, was sich hier ereignet hat, heißt den Pfad des Bösen zu beschreiten, und das werde ich nicht dulden!«
»Nicht dulden …«, brauste der Abt auf, doch Bruder Metellus hatte ihm schon den Rücken zugewandt und wies in die Richtung, der sie folgen sollten. »Es wird nicht lange dauern, bis wir dort sind.«
Sie ließen den Abt mit zornesrotem Gesicht stehen; der wusste nicht, wie ihm geschah, schnappte nur nach Luft wie ein Fisch auf dem Trocknen.
Metellus ging voran, Fidelma und Eadulf folgten ihm schweigend. Der Mönch hatte die Schultern hochgezogen und hielt den Kopf gesenkt; man sah ihm an, wie sehr er sich ärgerte. »In der Abtei wirst du fortan einen schweren Stand haben«, bemerkte Fidelma nach einer Weile.
Bruder Metellus drehte sich zu ihr um, und seine verbissene Miene weitete sich zu einem Lächeln. »Beim Abt gewiss und bei den Duckmäusern, die ihm blindlings gehorchen. Aber zu denen gehöre ich nicht. Dass es Regeln geben muss in einer Glaubensgemeinschaft, sehe ich ein, dazu gehören Beschränkungen und Unterordnung unter ein Oberhaupt. Ich bin auch überzeugt, dass der wahre Weg eines Mönchs der des Zölibats sein muss, frei von allen fleischlichen Gelüsten …« Er schüttelte den Kopf. »Aber an bedingungslosen Gehorsam glaube ich nicht, an Gehorsam nur um des Gehorsams willen. Wenn wir uns auf einen solchen Pfad begeben, leugnen wir Gottes größte Gabe, leugnen wir, was uns zum Ebenbild Gottes macht – nämlich das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen.«
»Ich stimme dir zu, dass wir nachdenken müssen und dann unsere Wahl treffen, was gut oder böse ist. Blinder Gehorsam führt zu Machtmissbrauch desjenigen, der die Befehle erteilt«, entgegnete Fidelma ernst.
»Alle Anerkennung für die Haltung, die du bewiesen hast, Bruder«, ergänzte Eadulf. »Nur fürchte ich, dass deines Bleibens in der Abtei des heiligen Gildas nicht länger sein wird.«
Bruder Metellus schmunzelte. »Den besten Dienst, den mir Abt Maelcar erweisen konnte, war, mich auf die kleine Insel Hoedig zu schicken. Ich werde dorthin zurückgehen und weiter so leben wie bisher, ob mit oder ohne den Segen des Abts.«
»Vom Abt hast du wohl keine hohe Meinung?«
Metellus lachte höhnisch. »Du hast ja gesehen, wie sehr ihm daran liegt, seine Autorität zu beweisen. Wäre er so klug, wie er herrschsüchtig ist, würden ihm die Brüder bereitwilliger folgen.«
»Glaubst du, sein Widerstreben, uns gehen zu lassen, erklärt sich lediglich aus dem Bestreben, seine Macht auszuspielen?«
»Was könnte er sonst für einen Grund haben?«
»Ich fand es recht seltsam, wie er sich aufgeführt hat«, erwiderte Eadulf und schwieg.
Fidelma überlegte, ob sich aus dem Verhalten des Abts mehr ableiten ließ. Manche Leute benahmen sich sonderbar und anderen unverständlich, weil das in ihrem Charakter lag. Gewiss, der Abt war ein Mensch, bei dem sich ihr Nackenhaar sträubte. Konnte es sein, dass mehr dahintersteckte?
Schweigend gingen sie eine Weile nebeneinander. Die Bäume des breiten Waldwegs bildeten mit ihren ausladenden Ästen einen düsteren Tunnel. Fidelma und Eadulf fielen Pflanzen und Büsche auf, die sie nicht kannten. Als Bruder Metellus merkte, dass Eadulf einen blühenden Strauch aufmerksam betrachtete, meinte er spaßig: »Ich glaube, den haben meine römischen Vorfahren in dieses Land gebracht. Nardus nannten sie ihn. Wollte man einen Busch wie den kaufen, müsste man so viel zahlen, wie ein Ackerknecht im Monat verdient.«
»Kaufen?«, fragte Fidelma ungläubig. »Kaufen die Leute hier Blumen?«
»O doch, Kräutersammler tun das. Besonders wenn es seltene Pflanzen sind.«
Eadulf schnupperte an einigen Büschen. »Dachte ich mir. Es ist, was bei euch labondur heißt«, sagte er zu Fidelma. »Ein nützliches Heilmittel.«
»Richtig, Lavendel«, bestätigte Bruder
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