18 - Eine Taube bringt den Tod
Ihr Bruder verstand, was sie bezweckte. »Wenden wir uns lieber angenehmeren Dingen zu«, beendete er das Frage- und Antwortspiel, und an Fidelma und Eadulf gerichtet: »Wir haben ein besonderes Mahl für euch bereitet, weil ihr doch Fremdlinge in unserem Lande seid.«
Er gab einem wartenden Bediensteten ein Zeichen, und aus einer Seitentür brachten mehrere Helfer Karaffen mit Cidre und weißem Wein. Die trübsinnige Kammerjungfer erschien und lenkte nun die Dienerschaft, die die Abendmahlzeit auftrug. Ihr Wesen war wie gewandelt, sie trat nicht länger als untergeordnete Dienerin, sondern als weisungsgewohnte Herrin auf.
Fidelma entging nicht, dass sie sich besonders um Bleidbara, den Befehlshaber der Wache, bemühte. Der junge Mann hingegen schien unverhohlen in Trifina vernarrt. Fidelma beobachtete das Verhalten der Beteiligten mit stillem Vergnügen. Während sich der prächtige Krieger zur Tochter des mac’htiern von Brilhag hingezogen fühlte, wurde er von der Dienerin angehimmelt.
Schalen mit einer dampfenden Suppe wurden ihnen vorgesetzt, dazu Körbchen mit frisch gebackenem Brot. Eadulf betrachtete die Suppe, rührte unschlüssig darin herum und hob fragend die Brauen.
»Suppe aus hiesigen Muscheln mit Lauch und Sahne«, versicherte ihm Macliau.
Bruder Metellus hatte seine Schale bereits halb geleert und wedelte anerkennend mit dem Löffel. »Lauch war das Lieblingsgemüse von Kaiser Nero«, erklärte er aufgeräumt. »Nichts ging ihm über eine gute Lauchsuppe, heißt es.«
Auf die Suppe folgte ein Gericht aus jungen Aalen. Die wären in Salz und Schalotten eingelegt, hieß es, und mit Olivenöl aus dem Süden und Essig angerichtet.
Die Aale sagten Fidelma nicht zu; derweil sich die anderen darüber hermachten, begnügte sie sich mit einem Stück Brot. Dann kam das Hauptgericht: Kaninchen gedünstet in Cidre, mit wildem Knoblauch und Schalotten. Dazu wurden große fleischige Pilze gereicht, die man in Butter gesotten und mit Perlzwiebeln und Kräutern angereichert hatte sowie mit Nüssen, die Eadulf nicht gleich erkannte.
Bruder Metellus half ihm. »Wir nennen sie nux Gallica , Nüsse aus Gallien«.
»Ah, dann sind es die, die bei uns welsche Nüsse heißen«, erinnerte sich Eadulf.
Die Walnüsse verliehen dem Gericht eine pikante Würze. Außerdem kam noch ein anderes Gemüse auf die Tafel, bei dem Macliau zufrieden lächelte. »Ich bin sicher, dergleichen habt ihr noch nicht gegessen.«
Doch Fidelma erkannte es auf Anhieb und musste nicht erst kosten. »Das ist Artischockenherz, die Griechen nennen es katos . Unsere Händler führen es vom Mittelmeer ein. Und der Saft, das ist Zitrone, das Ganze gemischt mit Sauerampfer. Ich habe das probiert, als ich in Rom war.«
Der Fürstensohn war enttäuscht. »In Rom bist du also gewesen?«, fragte er etwas neidisch.
»Ja.«
»Irgendwann werde ich auch dorthin reisen; Bruder Metellus hat mir viel davon erzählt, muss eine riesige Stadt sein.«
»Nihil est instar domus« , sagte Eadulf leise vor sich hin. Zu Hause ist es am besten.
Fidelma sah zu ihm hinüber. Er schaute auf den Teller und war mit den Gedanken woanders. Obwohl er schon eine Reihe von Jahren in ihrer Heimat lebte, hatte er nicht vergessen, dass er eigentlich ein Angelsachse war und aus Seaxmund’s Ham im Lande des Südvolks stammte. Er witzelte sogar darüber, wenn man ihn immer wieder für einen Sachsen hielt. Sie hatte es als gegeben hingenommen, dass er sich in Cashel, dem Hauptsitz ihres Bruders, sichtlich wohlfühlte. Freilich waren sie nur selten dort, denn die Aufgaben, die sie im Auftrage ihres Bruders, des Königs, übernahm, brachten es mit sich, dass sie häufig unterwegs waren. In sein Heimatland war sie mit ihm nur einmal gereist; das war, als sein Freund, Bruder Botulf, in der Abtei des heiligen Aldred ermordet worden war. Für gemeinsame Stunden mit ihrem Sohn Alchú blieb kaum Zeit; immer wieder mussten sie ihn in der Obhut ihrer Kinderfrau Muirgen zurücklassen. Bei allem Pflichtgefühl, das sie ihrem königlichen Bruder gegenüber hatte, sorgte sich Fidelma, dass der Junge bald nicht sie, sondern die Amme für seine Mutter halten musste.
Ihre Gedanken wanderten zurück zum Tisch. Argantken schlang mit Appetit alles in sich hinein, was ihr vorgesetzt wurde, und sprach wenig. Wenn sie es aber tat, begriff Fidelma nicht, wovon sie redete, denn von zwanzig Wörtern verstand sie bestenfalls eins. Offenbar konnte sie kein Latein, die
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