18 Gänsehaut Stories
Gedächtnis, daß vor allen Dingen unsere Ehe geheimgehalten werden muß, denn sprichst du darüber, so werden wir wahrscheinlich für immer getrennt.«
Und ich versprach ihr, gehorsam zu sein in allen Dingen – ich mußte an das Schicksal Urashimas denken –, und sie geleitete mich durch die vielen Zimmer – alle leer und schön – zum Eingang zurück. Dort nahm sie mich wieder beim Handgelenk, und plötzlich wurde alles dunkel vor meinen Augen, und ich wußte nichts mehr von mir, bis ich mich allein am Flußufer stehend fand, dicht neben der Brücke Nakano-hashi. Als ich in die Yashiki zurückging, hatten die Tempelglocken noch nicht zu läuten angefangen. – Abends ging ich wieder zur Brücke – um die bestimmte Stunde –, und sie wartete dort bereits auf mich. – Wieder wie das erstemal zog sie mich in das tiefe Wasser und führte mich an den wundersamen Ort, wo wir unsere Brautnacht gefeiert hatten. – Und jede Nacht seitdem habe ich sie getroffen und bin denselben Weg mit ihr gegangen. – Auch heute nacht wartet sie sicherlich auf mich, und lieber möchte ich sterben, als ihr eine Enttäuschung bereiten, darum muß ich jetzt gehen.
Aber nochmals laß dich bitten, Kamerad, sag niemand auch nur ein Wort von dem, was ich dir anvertraut habe!«
Der alte Ashigaru war ebenso erstaunt wie beunruhigt durch diese Erzählung.
Instinktiv fühlte er, daß Chugoro ihm die Wahrheit gesagt hatte; aber diese Wahrheit eröffnete böse Ausblicke. Möglicherweise war das Erlebnis Chugoros nichts als Sinnestäuschung, vielleicht aber eine von finsteren Mächten zu verderblichen Zwecken herbeigeführte Sinnestäuschung!
War der junge Mensch nun tatsächlich behext oder nicht, jedenfalls war er zu bemitleiden und nicht zu tadeln; Gewalt anzuwenden war keinesfalls am Platze – deshalb erwiderte der Ashigaru freundlich:
»Ich werde niemals über das sprechen, was du mir anvertraut hast, niemals, vorausgesetzt, daß du gesund und am Leben bleibst. Geh und suche das Weib auf, aber – hüte dich vor ihr! Ich fürchte, ein böser Geist hat dich in seine Netze gelockt.« Chugoro lächelte nur über diese Warnung seines alten Kameraden und eilte davon.
Einige Stunden später kehrte er mit seltsam verstörter Miene in die Yashiki zurück.
»Hast du sie getroffen?« fragte flüsternd der Ashigaru.
»Nein«, erwiderte Chugoro, »sie war nicht dort. Das erstemal, daß sie nicht gekommen ist! Ich glaube, sie kommt nie mehr wieder! Ich hätte dir die Sache nicht erzählen sollen! – Narr, der ich war, mein Versprechen nicht zu halten …«
Der Ashigaru versuchte vergebens, ihn zu trösten.
Chugoro legte sich nieder und sprach kein Wort mehr. Er zitterte am ganzen Leibe wie von Kälte durchschauert.
Als die Tempelglocken die erste Morgenstunde verkündeten, versuchte Chugoro aufzustehen, fiel aber bewußtlos zurück.
Er war sichtlich krank – todkrank.
Ein chinesischer Arzt wurde geholt.
»Was ist das? Der Mann hat ja kein Blut mehr …«, rief er aus, als er Chugoro sorgfältig untersucht hatte. »Es ist nichts als Wasser in seinen Adern! Da wird es schwer sein, ihn noch zu retten. – Was für eine bösartige Sache mag das sein?«
Man ließ nichts unversucht, Chugoro am Leben zu erhalten, aber umsonst.
Er starb, als die Sonne unterging.
Da erzählte der alte Ashigaru seinen Kameraden die ganze Geschichte.
»Ah, hab’ ich mir’s doch gedacht!« rief der chinesische Arzt. »Keine Macht der Welt hätte ihn retten können. Er ist nicht der erste, den sie umgebracht hat!«
»Wer ist diese ›sie‹ – oder was ist sie?« fragte der Ashigaru. »Ein Fuchsdämon?«
»Nein, sie spukt hier am Flusse seit altersgrauen Zeiten. Sie liebt das Blut der jungen …«
»Also ein Schlangenweib?
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