18 Gänsehaut Stories
Ein Drachenweib?«
»Nein, nein! Wenn du sie bei Tageslicht unter der Brücke sähest, so würdest du wohl glauben, ein ekelhaftes Geschöpf gesehen zu haben.«
»Aber was für ein Geschöpf?«
»Ganz einfach: ein Frosch – ein großer, scheußlicher Frosch!«
Jeanettes Hände
von
Philip Latham
»Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß Hexen unweigerlich alt und häßlich sein müßten. Viele sind schöne junge Frauen; die meisten von ihnen sind verheiratet …«
Es erscheint angebracht, solch scheinbar überflüssige Binsenwahrheiten einer Erzählung voranzustellen, deren Protagonistin offiziell zur Staatshexe von Kalifornien ernannt wird. Philip Latham, ein Pseudonym für den prominenten amerikanischen Astronomen Robert S. Richardson, eröffnet dem Leser eine Zukunftsperspektive, in der das Okkulte wieder in den Rang einer Haupt- und Staatsaktion eingesetzt ist – was sich im privaten Bereich natürlich verheerend auswirkt.
Dagny saß im Bett, als Bob mit dem Frühstückstablett und der Zeitung heraufkam. Er hatte es sich angewöhnt, seiner Frau das Frühstück ans Bett zu servieren, als sie vor fünf Jahren kurz nach ihrer Hochzeit krank gewesen war, und er tat es noch jetzt einmal in der Woche. Es war kurz vor elf, aber die Archers standen sonntags nie früh auf. Dagny rieb sich noch blaß und verschlafen die Augen.
»Willst du gleich eine Tasse Kaffee?« fragte er.
»Ja, bitte.«
Bob hatte wie üblich Mühe, einen Platz für das Tablett zu finden. Er hatte nichts gegen Hautcremes, Lippenstifte, Kosmetiktücher, Nagelfeilen und andere Toilettenartikel einzuwenden, die auf dem Tisch vor dem Spiegel lagen. Solche Dinge erwartete man auf einem Toilettentisch zu sehen. Was ihn wütend machte, waren diese verdammten Hände.
Ursprünglich hatten die ›Hände‹ zu Jeanette gehört – einer Schaufensterpuppe in einer exklusiven Boutique drüben in Beverley Hills. Jeanettes Hände zählten zu Dagnys kostbarsten Besitztümern; sie waren die einzigen Körperteile der Puppe, die bei dem großen kalifornischen Erdbeben nicht beschädigt wurden, und die Besitzerin der Boutique, die mit Dagny gut befreundet war, hatte sie ihr als Andenken geschenkt. Die Hände sahen nicht nur echt aus, sondern fühlten sich auch echt an. Ihre Finger waren beweglich und bestanden aus einer Gummi-Glasfaser-Mischung, deren Zusammensetzung ein ängstlich gehütetes Firmengeheimnis des Herstellers war.
»Du kannst wohl auch keinen anderen Platz für die Hände finden, was?« erkundigte sich Bob, während er versuchte, das Tablett abzustellen.
»Ich verstehe nicht, warum du dich immer wieder über diese Hände aufregst«, murmelte Dagny.
»Sie stören mich eben …«
»Sie erteilen dir ihren symbolischen Segen«, sagte Dagny. »Das bedeutet, daß du dich im Stand der Gnade befindest.«
»Quatsch!«
»Ich verspreche dir, daß ich sie woanders hinstelle«, sagte Dagny lächelnd.
»Nicht mehr nötig«, wehrte Bob ab. »Ich hab’ jetzt schon genug Platz.«
Sie saßen einige Minuten lang schweigend nebeneinander, tranken Kaffee und lasen Zeitung. Den Schlagzeilen war zu entnehmen, daß dringend Sofortmaßnahmen ergriffen werden müßten, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren.
Nachdem Bob hastig den Sportteil durchgeblättert hatte, warf er seine Zeitung aufs Fußende des Betts.
»Ende des Haushaltsjahrs. Diese Woche ist die Mitteilung vom Großen Weißen Vater in Washington gekommen. Wieder mal keine Gehaltserhöhung.«
Dagny studierte interessiert die Comics.
»Wir kommen schon irgendwie zurecht«, erklärte sie. »Ich hab’ gestern unser Horoskop gestellt. Unsere Zukunft sieht
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