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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Hüt­te.
    In der Hüt­te die­ses arm­se­li­gen Pa­las­tes brann­te ein Feu­er, Büf­fel­häu­te la­gen auf der Er­de, und auf ei­ner der­sel­ben kau­er­te der al­te kran­ke Häupt­ling; die größ­ten Zau­be­rer des Stam­mes heul­ten, schri­en und mach­ten einen Lärm, durch wel­chen der Kran­ke nur noch elen­der ge­macht wer­den muß­te, einen Lärm, der selbst einen Ge­sun­den hät­te krank ma­chen kön­nen.
    Der Me­di­zin­mann lei­te­te den Chor und den Trau­er­tanz; der Wald er­scholl von dem Lärm, wel­chen die­se wun­der­li­che Fei­er­lich­keit ver­an­laß­te; den Gott­hei­ten des Lan­des wur­den Op­fer und Ge­be­te dar­ge­bracht.
    Sechs jun­ge Mäd­chen wa­ren da­mit be­schäf­tigt, die nack­ten und kal­ten Glie­der des Grei­ses zu rei­ben. Eins von ih­nen, ein sehr hüb­sches Mäd­chen von kaum sech­zehn Jah­ren, wein­te bei die­ser Ar­beit.
    Der Schot­te er­kann­te, daß die­se gan­ze Be­hand­lungs­wei­se nur Mas­sa­soits Tod be­wir­ken wür­de. Als Eu­ro­pä­er und Wei­ßer galt er für einen ge­bo­re­nen Arzt. Er be­nutz­te das An­se­hen, wel­ches er in die­ser Hin­sicht hat­te, ent­fern­te die Lär­men­den und nä­her­te sich dem Häupt­ling.
    »Wer kommt zu mir?« frag­te der Greis.
    »Jock, der wei­ße Mann.«
    »Oh!« ver­setz­te der Häupt­ling und reich­te ihm die ver­trock­ne­te Hand. »Wir wer­den uns nicht wie­der­se­hen, Jock.«
    Ob­gleich Jock we­nig me­di­zi­ni­sche Kennt­nis­se hat­te, so be­merk­te er doch oh­ne Mü­he, daß der Häupt­ling an ei­ner ein­fa­chen Ver­dau­ungs­stö­rung litt; er kam ihm zu Hil­fe, be­fahl, daß man um ihn her schwei­ge, setz­te ihn auf ei­ne kärg­li­che Di­ät und be­rei­te­te ihm dann ein aus­ge­zeich­ne­tes schot­ti­sches Ge­richt, wel­ches die Stel­le ei­ner Arz­nei ver­tre­ten muß­te.
    In drei Ta­gen war Mas­sa­soit wie­der her­ge­stellt. Das Heu­len der In­dia­ner und die Tän­ze be­gan­nen von neu­em; al­lein die­ses Mal drück­ten die Hym­nen der Wil­den nur noch die Ge­füh­le des Danks und der Freu­de aus.
    Mas­sa­soit ließ Jock in sei­ner Hüt­te sich set­zen, reich­te ihm sei­ne Pfei­fe und zeig­te ihm sei­ne Toch­ter An­au­ket, das jüngs­te und hüb­sche­s­te von den Mäd­chen, wel­che Muir­land in der Hüt­te ge­se­hen hat­te.
    »Du hast kein Weib«, sag­te der al­te Krie­ger zu ihm; »nimm mei­ne Toch­ter und eh­re mein wei­ßes Haupt.«
    Jock er­beb­te; er dach­te an Tuil­zie und Spel­lie, er dach­te dar­an, wie schlecht ihm sei­ne frü­he­ren Hei­ra­ten ge­lun­gen wa­ren.
    Al­lein das jun­ge Mäd­chen war sanft und ge­hor­sam. Ei­ne Hei­rat in ei­ner ein­sa­men Ge­gend ist nur mit we­nig Förm­lich­kei­ten ver­knüpft und pflegt eben­so­we­nig nach­tei­li­ge Fol­gen für einen Eu­ro­pä­er zu ha­ben. Jock füg­te sich da­her, und die schö­ne An­au­ket gab ihm kei­nen Grund, sei­ne Wahl zu be­reu­en.
    Es war an ei­nem schö­nen Herbst­mor­gen, am ach­ten Ta­ge ih­rer Ver­ei­ni­gung, als bei­de im Boot den Ohio hin­un­ter­fuh­ren. Jock hat­te sei­ne Jagd­flin­te mit­ge­nom­men. An­au­ket war an sol­che Zü­ge ge­wöhnt, da das Le­ben des Wil­den zum größ­ten Teil aus ih­nen be­steht, wes­halb sie ih­ren Mann un­ter­stütz­te und ihm half. Das Wet­ter war pracht­voll; die Ufer des schö­nen Flus­ses bo­ten den Lie­ben­den be­zau­bern­de Aus­sich­ten dar; Jock be­merk­te ein Perl­huhn mit strah­len­den Flü­geln, er ziel­te, schoß, und der töd­lich ge­trof­fe­ne Vo­gel fiel in dich­tes Ge­büsch.
    Muir­land woll­te ei­ne so schö­ne Beu­te nicht ver­lie­ren, band sein Boot an und stieg an Land, um den Vo­gel zu su­chen. Ver­ge­bens durch­streif­te er das Ge­büsch; sei­ne schot­ti­sche Hart­nä­ckig­keit trieb ihn im­mer tiefer und tiefer in den Wald. Bald sah er sich zwi­schen ho­hen Bäu­men, als plötz­lich ein strah­len­des Licht durch das Laub fiel und bis zu ihm drang. Er zit­ter­te. Das un­er­träg­li­che Licht zwang ihn, sei­ne Au­gen zu schlie­ßen. Das Au­ge oh­ne Lid blick­te ihn an.
    Spel­lie war über das Meer ge­kom­men, hat­te die Spur ih­res Man­nes ge­fun­den und sei­ne Fähr­te ver­folgt; sie hat­te ihr Wort ge­hal­ten, und

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