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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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woll­te ge­ra­de stumm an ihr vor­über­ge­hen, als sie einen Schritt vor­wärts mach­te und mich am Är­mel faß­te. Da­bei sah ich, daß sie sehr jung und schön war. ›Möch­test du nicht mit mir nur bis zur Brücke dort ge­hen?‹ frag­te sie mich. ›Ich ha­be dir et­was zu sa­gen!‹
    Ih­re Stim­me war un­ge­mein weich und ein­schmei­chelnd, und da­bei lä­chel­te sie, wäh­rend sie sprach, und ih­rem Lä­cheln war schwer zu wi­der­ste­hen.
    So ging ich denn mit ihr zur Brücke, und auf dem Weg er­zähl­te sie mir, sie hät­te mich oft ge­se­hen, wie ich in der Ya­shi­ki aus und ein ge­gan­gen sei, und sie ha­be ei­ne Vor­lie­be für mich ge­faßt. – ›Ich wün­sche dich zum Gat­ten zu ha­ben‹, sag­te sie. ›Wenn du mich lieb­ha­ben kannst, so wer­den wir ein­an­der sehr glück­lich ma­chen kön­nen.‹
    Ich wuß­te zu­erst nicht, was ich ihr dar­auf ant­wor­ten soll­te; ge­dacht ha­be ich mir: Sie ist ent­zückend!
    Als wir uns der Brücke nä­her­ten, faß­te sie mich wie­der am Är­mel und führ­te mich den Damm hin­un­ter zum Fluß­ufer. ›Komm mit mir hin­ein‹ ; flüs­ter­te sie und zog mich zum Was­ser hin. – Du weißt, Ka­me­rad, es ist dort sehr tief, und ich be­kam auf ein­mal Angst vor ihr und ver­such­te um­zu­keh­ren. Sie aber lä­chel­te nur, faß­te mich am Hand­ge­lenk und sag­te: ›Oh, fürch­te dich doch nicht vor mir!‹ Und wie sie mich so hielt, wur­de ich hilf­los wie ein Kind. Ich kam mir vor wie ein Mensch, der im Traum da­von­lau­fen will, aber plötz­lich we­der Hand noch Fü­ße re­gen kann. – Sie stieg in das tie­fe Was­ser und zog mich mit, und ich sah und hör­te und fühl­te nichts mehr, bis ich be­merk­te, daß ich ne­ben ihr durch Räu­me schritt, die ein großer Pa­last, voll von Licht, zu sein schie­nen. – Ich fühl­te we­der Näs­se noch Käl­te, al­les rings um mich war tro­cken, warm und herr­lich schön. Ich konn­te we­der be­grei­fen, wo ich mich be­fand, noch, wie ich über­haupt hier­her­ge­kom­men war.
    Die Frau führ­te mich noch im­mer an der Hand, und wir gin­gen von ei­nem Saal durch den an­de­ren, durch vie­le, vie­le Zim­mer; al­le wa­ren leer, aber wun­der­schön – bis wir schließ­lich in einen Gas­traum mit tau­send Mat­ten ka­men. Vor ei­nem großen Al­ko­ven, am äu­ßers­ten En­de, brann­ten Lich­ter, und Kis­sen la­gen um­her wie für ein Fest, aber ich sah kei­ne Gäs­te.
    Sie führ­te mich so­dann auf den Eh­ren­platz im Al­ko­ven, setz­te sich mir ge­gen­über und sag­te: ›Dies ist mein Heim. Glaubst du, du könn­test glück­lich mit mir wer­den?« – Und als sie mich so frag­te, lä­chel­te sie da­bei, und ich dach­te mir, daß ihr Lä­cheln schö­ner sei als ir­gend et­was in der Welt, und aus tiefs­tem Her­zen her­aus ant­wor­te­te ich: ›Ja …‹ Und im sel­ben Au­gen­blick er­in­ner­te ich mich an die Ge­schich­te von Ura­shi­ma, und der Ge­dan­ke kam mir, sie müs­se die Toch­ter ei­nes Got­tes sein; aber ich scheu­te mich, sie zu fra­gen. Gleich dar­auf ka­men Die­ne­rin­nen her­ein, brach­ten Reis­wein und vie­le Ge­rich­te und stell­ten sie vor uns auf.
    Dann sag­te die Frau zu mir: ›Heu­te nacht soll un­se­re Braut­nacht sein, weil du mich lieb­hast, und dies ist un­ser Hoch­zeits­fest.‹
    Und wir ge­lob­ten ein­an­der an für die Zeit von sie­ben Exis­ten­zen, und nach dem Ban­kett ge­lei­te­te man uns in ein Braut­ge­mach, das für uns be­rei­tet war. – Es war noch sehr früh am Mor­gen, da weck­te sie mich und sag­te: ›Ge­lieb­ter, du bist jetzt wirk­lich und wahr­haf­tig mein Gat­te, aber aus Grün­den, die ich dir nicht sa­gen kann und nach de­nen du mich auch nicht fra­gen darfst, ist es not­wen­dig, daß un­se­re Ehe ein Ge­heim­nis bleibt. Dich hier­zu­be­hal­ten, bis der Tag an­ge­bro­chen ist, wür­de uns bei­den das Le­ben kos­ten! Des­halb bit­te ich dich, sei nicht bö­se, daß ich dich jetzt zu­rück­schi­cken muß in das Haus dei­nes Herrn. Du kannst heu­te nacht wie­der zu mir kom­men und von da an je­de Nacht und im­mer um die­sel­be Stun­de, in der wir uns das ers­te­mal be­geg­net sind. War­te im­mer an der Brücke auf mich – und du wirst nie lan­ge zu war­ten brau­chen! – Hal­te aber fest im

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