18 Gänsehaut Stories
wollte gerade stumm an ihr vorübergehen, als sie einen Schritt vorwärts machte und mich am Ärmel faßte. Dabei sah ich, daß sie sehr jung und schön war. ›Möchtest du nicht mit mir nur bis zur Brücke dort gehen?‹ fragte sie mich. ›Ich habe dir etwas zu sagen!‹
Ihre Stimme war ungemein weich und einschmeichelnd, und dabei lächelte sie, während sie sprach, und ihrem Lächeln war schwer zu widerstehen.
So ging ich denn mit ihr zur Brücke, und auf dem Weg erzählte sie mir, sie hätte mich oft gesehen, wie ich in der Yashiki aus und ein gegangen sei, und sie habe eine Vorliebe für mich gefaßt. – ›Ich wünsche dich zum Gatten zu haben‹, sagte sie. ›Wenn du mich liebhaben kannst, so werden wir einander sehr glücklich machen können.‹
Ich wußte zuerst nicht, was ich ihr darauf antworten sollte; gedacht habe ich mir: Sie ist entzückend!
Als wir uns der Brücke näherten, faßte sie mich wieder am Ärmel und führte mich den Damm hinunter zum Flußufer. ›Komm mit mir hinein‹ ; flüsterte sie und zog mich zum Wasser hin. – Du weißt, Kamerad, es ist dort sehr tief, und ich bekam auf einmal Angst vor ihr und versuchte umzukehren. Sie aber lächelte nur, faßte mich am Handgelenk und sagte: ›Oh, fürchte dich doch nicht vor mir!‹ Und wie sie mich so hielt, wurde ich hilflos wie ein Kind. Ich kam mir vor wie ein Mensch, der im Traum davonlaufen will, aber plötzlich weder Hand noch Füße regen kann. – Sie stieg in das tiefe Wasser und zog mich mit, und ich sah und hörte und fühlte nichts mehr, bis ich bemerkte, daß ich neben ihr durch Räume schritt, die ein großer Palast, voll von Licht, zu sein schienen. – Ich fühlte weder Nässe noch Kälte, alles rings um mich war trocken, warm und herrlich schön. Ich konnte weder begreifen, wo ich mich befand, noch, wie ich überhaupt hierhergekommen war.
Die Frau führte mich noch immer an der Hand, und wir gingen von einem Saal durch den anderen, durch viele, viele Zimmer; alle waren leer, aber wunderschön – bis wir schließlich in einen Gastraum mit tausend Matten kamen. Vor einem großen Alkoven, am äußersten Ende, brannten Lichter, und Kissen lagen umher wie für ein Fest, aber ich sah keine Gäste.
Sie führte mich sodann auf den Ehrenplatz im Alkoven, setzte sich mir gegenüber und sagte: ›Dies ist mein Heim. Glaubst du, du könntest glücklich mit mir werden?« – Und als sie mich so fragte, lächelte sie dabei, und ich dachte mir, daß ihr Lächeln schöner sei als irgend etwas in der Welt, und aus tiefstem Herzen heraus antwortete ich: ›Ja …‹ Und im selben Augenblick erinnerte ich mich an die Geschichte von Urashima, und der Gedanke kam mir, sie müsse die Tochter eines Gottes sein; aber ich scheute mich, sie zu fragen. Gleich darauf kamen Dienerinnen herein, brachten Reiswein und viele Gerichte und stellten sie vor uns auf.
Dann sagte die Frau zu mir: ›Heute nacht soll unsere Brautnacht sein, weil du mich liebhast, und dies ist unser Hochzeitsfest.‹
Und wir gelobten einander an für die Zeit von sieben Existenzen, und nach dem Bankett geleitete man uns in ein Brautgemach, das für uns bereitet war. – Es war noch sehr früh am Morgen, da weckte sie mich und sagte: ›Geliebter, du bist jetzt wirklich und wahrhaftig mein Gatte, aber aus Gründen, die ich dir nicht sagen kann und nach denen du mich auch nicht fragen darfst, ist es notwendig, daß unsere Ehe ein Geheimnis bleibt. Dich hierzubehalten, bis der Tag angebrochen ist, würde uns beiden das Leben kosten! Deshalb bitte ich dich, sei nicht böse, daß ich dich jetzt zurückschicken muß in das Haus deines Herrn. Du kannst heute nacht wieder zu mir kommen und von da an jede Nacht und immer um dieselbe Stunde, in der wir uns das erstemal begegnet sind. Warte immer an der Brücke auf mich – und du wirst nie lange zu warten brauchen! – Halte aber fest im
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