18 Gänsehaut Stories
vielversprechend aus.«
Dagnys Beschäftigung mit Astrologie, Hexerei, Wahrsagerei und ähnlichem Unsinn hatte in der Zeit vor ihrer Ehe häufig zu Streit geführt. Heutzutage wird vieles toleriert: Ehen zwischen Negern und Weißen oder wilde Ehen rufen kaum noch ein Stirnrunzeln hervor. Aber ein Astronom, der eine Astrologin heiratet … nun, das geht doch etwas zu weit. Allmählich hatte Bob sich jedoch daran gewöhnt, Dagnys Interesse für das Okkulte mit jener resignierten Gelassenheit zu akzeptieren, mit der die meisten Ehemänner die kleinen Torheiten ihrer Frauen ertragen. In Bobs Fall war allerdings nur zu leicht einzusehen, warum er es aufgegeben hatte, Dagnys Glauben an das Übernatürliche erschüttern zu wollen. Seine Frau besaß andere Vorzüge, die ihn über solche Kleinigkeiten hinwegsehen ließen.
Dagny gab ihm ein Blatt aus der Times.
»Hier steht wieder etwas über deinen Freund Doktor Thornton.«
»Schon wieder!«
Das Foto zeigte einen Mann Anfang Vierzig mit markanten Zügen, der eine kurze Bruyerepfeife zwischen den Zähnen hielt. Er stand neben einem Meßgerät und betrachtete das Bild irgendeines Himmelskörpers.
»Er sieht gut aus, was?« meinte Dagny.
»Findest du?«
»Sehr!«
Bob schnaubte geringschätzig und las den dazugehörigen Artikel durch.
»Nur ein halbes Dutzend Fehler«, kommentierte er. »Der Fotograf hat ihn absichtlich etwas von unten aufgenommen, damit man nicht sieht, daß er eine kahle Stelle auf dem Kopf hat. Er ist zweiundvierzig, nicht neununddreißig. Und was er da hat, ist M33 in Triangulum, nicht M31 in Andromeda.«
»Doktor Thornton, der bekannte Astronom am weltberühmten Mount-Elsinore-Observatorium, wird im September nach London reisen, um die Goldmedaille der Königlichen Astronomischen Gesellschaft in Empfang zu nehmen. Diese Medaille ist eine der höchsten Auszeichnungen, die …«, las sie laut.
Bob schnaubte wieder.
»Das ist doch wohl auch der einzige Nutzen dieser Gesellschaften – daß sie Goldmedaillen verleihen.«
»Doktor Thornton hat in jahrelanger Forschungsarbeit nachgewiesen, daß das Universum in Wirklichkeit etwa zehnmal älter ist als bisher angenommen …«, fuhr sie fort.
»Manche Kollegen sind da aber ganz anderer Meinung!«
»Auch jemand, den ich kenne?«
»Zum Beispiel dein Mann.«
Dagny betrachtete aufmerksam Thorntons Bild.
»Nehmen wir einmal an, du hättest recht und er unrecht«, sagte sie nachdenklich. »Warum gibt die Königliche Gesellschaft ihre Goldmedaille dann nicht dir?«
»Das ist schwer zu erklären«, antwortete Bob nach einer Pause. »Bei solchen Dingen spielt die Persönlichkeit des Betreffenden eine größere Rolle, als man es für möglich halten würde. Thornton ist der energische, dominierende Typ. Die Leute lesen, was er veröffentlicht. Kein Mensch kümmert sich um mein Zeug. Er hat einfach Glück. Er benimmt sich immer so, als sei ein Mißerfolg ausgeschlossen. Ich fürchte stets Mißerfolge – und habe sie deshalb. Je weiter man sich von Thornton entfernt, desto größer ragt er auf. Man verehrt ihn aus der Ferne und haßt ihn aus der Nähe.«
»In welchem Punkt seid ihr verschiedener Meinung?« wollte Dagny wissen.
»Das ist eine schwierige Frage …«
»Gut, wenn das so streng geheim ist …«
Bob zögerte.
»Versprichst du mir, daß du keinem Menschen ein Wort davon erzählst?«
Dagny zuckte mit den Schultern. »Gut, ich versprech’s dir.«
»Paß auf, ich habe einen Teil von Thorntons Arbeiten überprüft, mit den gleichen Auswertungs- und Rechenmethoden, versteht sich. Und unsere Ergebnisse sind und bleiben unterschiedlich. Ich bringe beim besten Willen keine Übereinstimmung
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