18 Gänsehaut Stories
ihre furchtbare Eifersucht überhäufte Muirland bereits mit gerechten Vorwürfen. Er eilte ans Ufer, verfolgt von dem lidlosen Auge, erblickte die reinen und klaren Wellen des Ohio und stürzte sich in seiner Angst in die Flut. Das war das Ende Jock Muirlands.
Der Fall Chugoro
von
Lafcadio Hearn
Lafcadio Hearn (1850-1904) stammte aus England, wo er sich als Schrittsteller bereits einen Namen gemacht hatte, bevor er 1890 nach Japan ging, eine Japanerin heiratete und sich neutralisieren ließ. Er lehrte als Dozent für englische Literatur an der Universität Tokio. In vielen Büchern versuchte er, seine Wahlheimat den Europäern nahezubringen. Die vorliegende Erzählung aus dem Band »Japanische Geistergeschichten« wurde von Gustav Meyrink übersetzt.
Vor langer Zeit lebte im Koishi-Kawa-Quartier von Yedo ein Hatamoto namens Suzuki, dessen Yashiki an der Sandbank des Yedogawa lag, nicht weit von der Brücke, die Nakano-hashi heißt.
Unter den Soldaten dieses Suzuki befand sich auch ein Ashigaru – ein Gefreiter –, ein gewisser Chugoro.
Chugoro war ein hübscher Bursche, sehr liebenswürdig und anstellig und ungemein beliebt bei seinen Kameraden.
Viele Jahre hindurch blieb Chugoro in den Diensten des Suzuki und führte sich so gut auf, daß kein Tadel an ihm haftete.
Endlich entdeckten die anderen Ashigarus, daß Chugoro die Gewohnheit angenommen hatte, die Yashiki allnächtlich zu verlassen, und zwar auf dem Wege durch den Garten, um erst knapp vor Tagesgrauen zurückzukehren.
Anfangs schwiegen sie dazu, da sich solches seltsame Unterfangen nicht mit den vorgeschriebenen Pflichten vertrug, und nahmen an, irgendein Liebesabenteuer stecke dahinter.
Nach einiger Zeit jedoch fing Chugoro an, blaß und kränklich auszusehen, und da seine Kameraden eine ernstliche Torheit befürchteten, beschlossen sie, ihn auszufragen und ihm Vorstellungen zu machen.
Dementsprechend nahm ein älterer Ashigaru Chugoro, als er sich eben wieder heimlich fortschleichen wollte, beiseite und sagte:
»Chugoro, mein Junge, wir wissen gar wohl, daß du jede Nacht ausgehst und bis zum frühen Morgen fortbleibst! – Wir haben auch bemerkt, daß du elend aussiehst! Wir fürchten, du bist in schlechte Gesellschaft geraten und untergräbst deine Gesundheit! – Wenn du uns nicht triftige Gründe für dein Benehmen angibst, müssen wir es als Pflicht ansehen, den Vorfall dem Offizier zu melden. – Ob nun so oder so, da wir Kameraden und Freunde sind, ist es auf alle Fälle nur recht und billig, daß wir erfahren, warum du nachts das Haus verläßt, trotzdem das im Widerspruch mit den dienstlichen Vorschriften steht.«
Chugoro geriet bei diesen Worten gänzlich außer Fassung.
Nach kurzem Schweigen ging er seinem Kameraden voran in den Garten, und als sie außer Hörweite waren, blieb Chugoro stehen und sagte:
»Jetzt will ich dir alles erzählen; aber ich muß dich bitten, strengstes Stillschweigen gegenüber jedermann zu bewahren; wenn du weitererzählst, was ich dir jetzt anvertrauen werde, stürzest du mich in unsagbares Unglück!
Es war im Vorfrühling dieses Jahres, etwa vor fünf Monaten, da ging ich das erstemal des Nachts aus, und zwar wegen eines Liebesabenteuers. Eines Abends nämlich, als ich nach einem Besuch bei meinen Eltern zur Yashiki zurückkehrte, sah ich ein Frauenzimmer am Flußufer nicht weit vom Haupttor stehen. Sie war wie eine Person von Rang gekleidet, und ich wunderte mich nicht wenig, daß eine so fein gekleidete Frau allein dort stehen konnte und noch dazu zu so später Stunde. Ich sagte mir aber, daß ich deswegen noch kein Recht hätte, sie anzusprechen, und ich
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