18 Gänsehaut Stories
entgegen; ich legte ihm das Tier auf die Arme, worauf er auf einen Wink von mir das Zimmer verließ.
Ich war einigermaßen beruhigt; etwa zehn Minuten blickte ich noch mit einem Rest von Angst um mich; da ich aber kein lebendiges Wesen, das irgendeiner Tierart angehörte, bemerkte, wollte ich nachsehen, was John mit der Katze gemacht hatte.
Ich verließ daher mein Zimmer, in der Absicht, ihn danach zu fragen. Als ich aber den Fuß auf die Schwelle der Salontür setzte, hörte ich lautes Gelächter, das aus dem Zimmer meiner Frau kam. Ich näherte mich leise auf den Fußzehen und hörte die Stimme Johns:
›Meine liebe Freundin‹, sagte er zu dem Zimmermädchen, ›der Herr wird nicht wahnsinnig, nein, er ist es schon. Wie du weißt, besteht sein Wahnsinn darin, daß er eine schwarz- und rotgefleckte Katze sieht. Heute abend hat er mich gefragt, ob ich diese Katze nicht auf seinem Schoß sähe.‹
›Und was hast du geantwortet?‹
›Bei Gott! Ich habe geantwortet, daß ich sie sähe‹, sagte John. ›Ich habe den armen, lieben Mann nicht ärgern wollen; und was meinst du, was er getan hat?‹
›Wie soll ich das erraten?‹
›Nun denn, er hat die vermeintliche Katze von seinem Schoß genommen, hat sie mir auf die Arme gelegt und zu mir gesagt: Trage sie fort! – Trage sie fort! – Ich habe die Katze hurtig fortgetragen, und er ist zufrieden gewesen.‹
›Aber wenn du die Katze fortgetragen hast, so war die Katze also doch vorhanden.‹
›Nicht doch, die Katze bestand nur in seiner Einbildung. Aber was hätte es geholfen, wenn ich ihm die Wahrheit gesagt hätte? Mich aus dem Hause werfen zu lassen? – Meiner Treu, nein, es geht mir hier gut, und ich bleibe. Er gibt mir fünfundzwanzig Pfund jährlich – um eine Katze zu sehen. Gut, ich sehe sie. Er soll mir dreißig geben, und ich werde zwei Katzen sehen.‹
Ich hatte nicht den Mut, länger zuzuhören. Seufzend kehrte ich in mein Zimmer zurück.
Mein Zimmer war leer …
Am folgenden Tag fand sich meine Gesellschafterin wie gewöhnlich um sechs wieder bei mir ein und verschwand erst am folgenden Morgen.
»Was soll ich Ihnen sagen, mein Freund?« fuhr der Kranke fort. »Einen Monat lang hatte ich dieselbe Erscheinung jeden Abend, und ich gewöhnte mich allmählich an ihre Gegenwart; am dreißigsten Tage nach der Hinrichtung schlug es sechs Uhr, ohne daß die Katze erschien.
Ich glaubte von ihr befreit zu sein, ich konnte vor Freude nicht schlafen. Den ganzen Morgen des folgenden Tages schob ich sozusagen die Zeit vor mir her; ich konnte kaum die verhängnisvolle Stunde abwarten.
Von fünf bis sechs Uhr verließen meine Augen die Standuhr nicht. Ich folgte dem Gang des großen Zeigers von Minute zu Minute. Endlich erreichte er die Zahl XII, das Knarren der Uhr ließ sich vernehmen, dann tat der Hammer den ersten, den zweiten, den dritten, den vierten, den fünften, endlich den sechsten Schlag! – Bei dem sechsten Schlag ging meine Tür auf«, sagte der unglückliche Richter, »und ich sah einen Gerichtsdiener der Kammer eintreten, der die Uniform des Lord-Lieutenants von Schottland trug.
Mein erster Gedanke war, daß der Lord-Lieutenant mir irgendein Schreiben sende, und ich streckte die Hand nach dem Unbekannten aus. Aber er schien auf meine Gebärde nicht zu achten und stellte sich hinter meinen Sessel.
Ich brauchte mich nicht umzuwenden, um ihn zu sehen, denn ich saß dem Spiegel gegenüber und hatte ihn also im Blick. Ich stand auf und bewegte mich hin und her; er folgte mir in der Entfernung einiger Schritte. Ich ging an meinen Tisch und läutete.
Mein Bedienter erschien, aber er sah den Gerichtsboten ebensowenig wie vorher die Katze.
Ich schickte ihn wieder fort und blieb mit dieser seltsamen Person allein, die ich nach Herzenslust betrachten konnte.
Er trug
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