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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ent­ge­gen; ich leg­te ihm das Tier auf die Ar­me, wor­auf er auf einen Wink von mir das Zim­mer ver­ließ.
    Ich war ei­ni­ger­ma­ßen be­ru­higt; et­wa zehn Mi­nu­ten blick­te ich noch mit ei­nem Rest von Angst um mich; da ich aber kein le­ben­di­ges We­sen, das ir­gend­ei­ner Tier­art an­ge­hör­te, be­merk­te, woll­te ich nach­se­hen, was John mit der Kat­ze ge­macht hat­te.
    Ich ver­ließ da­her mein Zim­mer, in der Ab­sicht, ihn da­nach zu fra­gen. Als ich aber den Fuß auf die Schwel­le der Sa­lon­tür setz­te, hör­te ich lau­tes Ge­läch­ter, das aus dem Zim­mer mei­ner Frau kam. Ich nä­her­te mich lei­se auf den Fuß­ze­hen und hör­te die Stim­me Johns:
    ›Mei­ne lie­be Freun­din‹, sag­te er zu dem Zim­mer­mäd­chen, ›der Herr wird nicht wahn­sin­nig, nein, er ist es schon. Wie du weißt, be­steht sein Wahn­sinn dar­in, daß er ei­ne schwarz- und rot­ge­fleck­te Kat­ze sieht. Heu­te abend hat er mich ge­fragt, ob ich die­se Kat­ze nicht auf sei­nem Schoß sä­he.‹
    ›Und was hast du geant­wor­tet?‹
    ›Bei Gott! Ich ha­be geant­wor­tet, daß ich sie sä­he‹, sag­te John. ›Ich ha­be den ar­men, lie­ben Mann nicht är­gern wol­len; und was meinst du, was er ge­tan hat?‹
    ›Wie soll ich das er­ra­ten?‹
    ›Nun denn, er hat die ver­meint­li­che Kat­ze von sei­nem Schoß ge­nom­men, hat sie mir auf die Ar­me ge­legt und zu mir ge­sagt: Tra­ge sie fort! – Tra­ge sie fort! – Ich ha­be die Kat­ze hur­tig fort­ge­tra­gen, und er ist zu­frie­den ge­we­sen.‹
    ›Aber wenn du die Kat­ze fort­ge­tra­gen hast, so war die Kat­ze al­so doch vor­han­den.‹
    ›Nicht doch, die Kat­ze be­stand nur in sei­ner Ein­bil­dung. Aber was hät­te es ge­hol­fen, wenn ich ihm die Wahr­heit ge­sagt hät­te? Mich aus dem Hau­se wer­fen zu las­sen? – Mei­ner Treu, nein, es geht mir hier gut, und ich blei­be. Er gibt mir fünf­und­zwan­zig Pfund jähr­lich – um ei­ne Kat­ze zu se­hen. Gut, ich se­he sie. Er soll mir drei­ßig ge­ben, und ich wer­de zwei Kat­zen se­hen.‹
    Ich hat­te nicht den Mut, län­ger zu­zu­hö­ren. Seuf­zend kehr­te ich in mein Zim­mer zu­rück.
    Mein Zim­mer war leer …
    Am fol­gen­den Tag fand sich mei­ne Ge­sell­schaf­te­rin wie ge­wöhn­lich um sechs wie­der bei mir ein und ver­schwand erst am fol­gen­den Mor­gen.
    »Was soll ich Ih­nen sa­gen, mein Freund?« fuhr der Kran­ke fort. »Einen Mo­nat lang hat­te ich die­sel­be Er­schei­nung je­den Abend, und ich ge­wöhn­te mich all­mäh­lich an ih­re Ge­gen­wart; am drei­ßigs­ten Ta­ge nach der Hin­rich­tung schlug es sechs Uhr, oh­ne daß die Kat­ze er­schi­en.
    Ich glaub­te von ihr be­freit zu sein, ich konn­te vor Freu­de nicht schla­fen. Den gan­zen Mor­gen des fol­gen­den Ta­ges schob ich so­zu­sa­gen die Zeit vor mir her; ich konn­te kaum die ver­häng­nis­vol­le Stun­de ab­war­ten.
    Von fünf bis sechs Uhr ver­lie­ßen mei­ne Au­gen die Stand­uhr nicht. Ich folg­te dem Gang des großen Zei­gers von Mi­nu­te zu Mi­nu­te. End­lich er­reich­te er die Zahl XII, das Knar­ren der Uhr ließ sich ver­neh­men, dann tat der Ham­mer den ers­ten, den zwei­ten, den drit­ten, den vier­ten, den fünf­ten, end­lich den sechs­ten Schlag! – Bei dem sechs­ten Schlag ging mei­ne Tür auf«, sag­te der un­glück­li­che Rich­ter, »und ich sah einen Ge­richts­die­ner der Kam­mer ein­tre­ten, der die Uni­form des Lord-Lieu­ten­ants von Schott­land trug.
    Mein ers­ter Ge­dan­ke war, daß der Lord-Lieu­ten­ant mir ir­gend­ein Schrei­ben sen­de, und ich streck­te die Hand nach dem Un­be­kann­ten aus. Aber er schi­en auf mei­ne Ge­bär­de nicht zu ach­ten und stell­te sich hin­ter mei­nen Ses­sel.
    Ich brauch­te mich nicht um­zu­wen­den, um ihn zu se­hen, denn ich saß dem Spie­gel ge­gen­über und hat­te ihn al­so im Blick. Ich stand auf und be­weg­te mich hin und her; er folg­te mir in der Ent­fer­nung ei­ni­ger Schrit­te. Ich ging an mei­nen Tisch und läu­te­te.
    Mein Be­dien­ter er­schi­en, aber er sah den Ge­richts­bo­ten eben­so­we­nig wie vor­her die Kat­ze.
    Ich schick­te ihn wie­der fort und blieb mit die­ser selt­sa­men Per­son al­lein, die ich nach Her­zens­lust be­trach­ten konn­te.
    Er trug

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