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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Hof­klei­dung, den Haar­beu­tel, den De­gen an der Sei­te, ei­ne ge­stick­te Wes­te und sei­nen Hut un­ter dem Arm.
    Um zehn Uhr leg­te ich mich zu Bett; um of­fen­bar die Nacht so be­quem als mög­lich zu­zu­brin­gen, setz­te er sich mei­nem Bett ge­gen­über in einen Ses­sel.
    Ich wand­te den Kopf nach der Sei­te der Wand; da ich aber nicht ein­schla­fen konn­te, so dreh­te ich mich zwei- bis drei­mal wie­der um, und je­des­mal sah ich ihn beim Licht mei­ner Nacht­lam­pe in dem­sel­ben Ses­sel.
    Auch er schlief nicht.
    End­lich sah ich die ers­ten Strah­len des Ta­ges durch die Lä­den in mein Zim­mer drin­gen, ich wand­te mich ein letz­tes­mal nach mei­nem Mann um: Er war ver­schwun­den, der Ses­sel war leer.
    Bis zum Abend des nächs­ten Ta­ges war ich von mei­ner Er­schei­nung be­freit.
    Am Abend war Emp­fang bei dem Groß­vi­kar der Kir­che, und ich rief un­ter dem Vor­wand, mei­nen Fes­t­rock aus­zu­bürs­ten, we­ni­ge Mi­nu­ten vor sechs Uhr mei­nen Be­dien­ten, in­dem ich ihm be­fahl, die Rie­gel der Tür vor­zu­schie­ben.
    Er ge­horch­te.
    Beim letz­ten Schlag der sechs­ten Stun­de hef­te­te ich die Au­gen auf die Tür; die Tür ging auf, und mein Ge­richts­bo­te trat ein.
    Ich ging so­fort nach der Tür – sie war wie­der ver­schlos­sen; die Rie­gel schie­nen nicht ver­scho­ben zu sein, ich wand­te mich um – der Ge­richts­bo­te stand hin­ter mei­nem Ses­sel, und John ging im Zim­mer hin und her, oh­ne ihn im ge­rings­ten zu be­mer­ken.
    Er sah ihn of­fen­bar eben­so­we­nig wie vor­her das Tier.
    Ich klei­de­te mich an.
    Nun ge­sch­ah et­was Selt­sa­mes: Voll Auf­merk­sam­keit für mich, half mein neu­er Haus­ge­nos­se John in al­lem, was er tat, oh­ne daß John es be­merk­te. So hielt John mei­nen Rock beim Kra­gen – das Ge­spenst hielt die Schö­ße; John reich­te mir die Ho­se beim Gür­tel, das Ge­spenst hielt sie bei den Bei­nen.
    Ich hat­te nie­mals einen dienst­eif­ri­ge­ren Be­dien­ten.
    Die Stun­de des Be­suchs kam.
    Statt mir zu fol­gen, ging der Ge­richts­bo­te mir je­doch vor­aus, schlüpf­te durch die Tür mei­nes Zim­mers, ging die Trep­pe hin­ab, hielt sich, den Hut un­ter dem Arm, hin­ter John, der den Schlag des Wa­gens auf­mach­te, und als John ihn ge­schlos­sen und sei­nen Platz hin­ter dem Wa­gen ein­ge­nom­men hat­te, stieg er auf den Bock des Kut­schers, der nach rechts rück­te, um ihm Platz zu ma­chen.
    Vor dem Haus des Groß­vi­kars hielt der Wa­gen; John öff­ne­te den Schlag, aber das Ge­spenst stand be­reits hin­ter ihm auf sei­nem Pos­ten. Kaum war ich aus­ge­stie­gen, als das Ge­spenst mir vor­auseil­te, in­dem es sich durch die Be­dien­ten zwäng­te, die am Por­tal stan­den, und nachsah, ob ich ihm folg­te.
    Nun woll­te ich mit dem Kut­scher den­sel­ben Ver­such an­stel­len, den ich mit John ge­macht hat­te.
    ›Pa­trick‹, frag­te ich ihn, ›wer war der Mann, der ne­ben Euch saß?‹
    ›Wel­cher Mann, Eu­er Gna­den?‹
    ›Der Mann, der auf dem Bock saß.‹
    Pa­trick mach­te große Au­gen, in­dem er er­staunt um sich blick­te.
    ›Es ist gut‹, sag­te ich, ›ich ha­be mich ge­irrt.‹
    Ich ging in das Haus.
    Der Ge­richts­bo­te war auf der Trep­pe ste­hen­ge­blie­ben und er­war­te­te mich. So­bald er mich kom­men sah, lief er mir vor­aus, trat vor mir ein, wie um mich im Emp­fangs­saal zu mel­den; dann, als ich ein­ge­tre­ten war, nahm er in dem Vor­zim­mer wie­der den Platz ein, der sich für ihn ge­ziem­te.
    Wie für John und Pa­trick war das Ge­spenst für je­der­mann un­sicht­bar.
    Nun ver­wan­del­te sich mei­ne Furcht in Ent­set­zen, und ich sah ein, daß ich tat­säch­lich wahn­sin­nig wür­de.
    Von die­sem Abend an be­merk­te man die Ver­än­de­rung, die mit mir vor­ging. Je­der­mann frag­te mich, wel­che Sor­gen mich quäl­ten.
    Ich fand mein Ge­spenst im Vor­zim­mer wie­der. Wie bei mei­ner An­kunft eil­te es mir auf dem Heim­weg vor­aus, kehr­te mit mir nach Hau­se und hin­ter mir in mein Zim­mer zu­rück und setz­te sich wie die Nacht zu­vor in den Ses­sel. Nun woll­te ich mich über­zeu­gen, ob et­was Wirk­li­ches und be­son­ders et­was Fühl­ba­res an die­ser Er­schei­nung wä­re. Ich nahm mei­nen gan­zen Mut zu­sam­men und

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