18 Gänsehaut Stories
Hofkleidung, den Haarbeutel, den Degen an der Seite, eine gestickte Weste und seinen Hut unter dem Arm.
Um zehn Uhr legte ich mich zu Bett; um offenbar die Nacht so bequem als möglich zuzubringen, setzte er sich meinem Bett gegenüber in einen Sessel.
Ich wandte den Kopf nach der Seite der Wand; da ich aber nicht einschlafen konnte, so drehte ich mich zwei- bis dreimal wieder um, und jedesmal sah ich ihn beim Licht meiner Nachtlampe in demselben Sessel.
Auch er schlief nicht.
Endlich sah ich die ersten Strahlen des Tages durch die Läden in mein Zimmer dringen, ich wandte mich ein letztesmal nach meinem Mann um: Er war verschwunden, der Sessel war leer.
Bis zum Abend des nächsten Tages war ich von meiner Erscheinung befreit.
Am Abend war Empfang bei dem Großvikar der Kirche, und ich rief unter dem Vorwand, meinen Festrock auszubürsten, wenige Minuten vor sechs Uhr meinen Bedienten, indem ich ihm befahl, die Riegel der Tür vorzuschieben.
Er gehorchte.
Beim letzten Schlag der sechsten Stunde heftete ich die Augen auf die Tür; die Tür ging auf, und mein Gerichtsbote trat ein.
Ich ging sofort nach der Tür – sie war wieder verschlossen; die Riegel schienen nicht verschoben zu sein, ich wandte mich um – der Gerichtsbote stand hinter meinem Sessel, und John ging im Zimmer hin und her, ohne ihn im geringsten zu bemerken.
Er sah ihn offenbar ebensowenig wie vorher das Tier.
Ich kleidete mich an.
Nun geschah etwas Seltsames: Voll Aufmerksamkeit für mich, half mein neuer Hausgenosse John in allem, was er tat, ohne daß John es bemerkte. So hielt John meinen Rock beim Kragen – das Gespenst hielt die Schöße; John reichte mir die Hose beim Gürtel, das Gespenst hielt sie bei den Beinen.
Ich hatte niemals einen diensteifrigeren Bedienten.
Die Stunde des Besuchs kam.
Statt mir zu folgen, ging der Gerichtsbote mir jedoch voraus, schlüpfte durch die Tür meines Zimmers, ging die Treppe hinab, hielt sich, den Hut unter dem Arm, hinter John, der den Schlag des Wagens aufmachte, und als John ihn geschlossen und seinen Platz hinter dem Wagen eingenommen hatte, stieg er auf den Bock des Kutschers, der nach rechts rückte, um ihm Platz zu machen.
Vor dem Haus des Großvikars hielt der Wagen; John öffnete den Schlag, aber das Gespenst stand bereits hinter ihm auf seinem Posten. Kaum war ich ausgestiegen, als das Gespenst mir vorauseilte, indem es sich durch die Bedienten zwängte, die am Portal standen, und nachsah, ob ich ihm folgte.
Nun wollte ich mit dem Kutscher denselben Versuch anstellen, den ich mit John gemacht hatte.
›Patrick‹, fragte ich ihn, ›wer war der Mann, der neben Euch saß?‹
›Welcher Mann, Euer Gnaden?‹
›Der Mann, der auf dem Bock saß.‹
Patrick machte große Augen, indem er erstaunt um sich blickte.
›Es ist gut‹, sagte ich, ›ich habe mich geirrt.‹
Ich ging in das Haus.
Der Gerichtsbote war auf der Treppe stehengeblieben und erwartete mich. Sobald er mich kommen sah, lief er mir voraus, trat vor mir ein, wie um mich im Empfangssaal zu melden; dann, als ich eingetreten war, nahm er in dem Vorzimmer wieder den Platz ein, der sich für ihn geziemte.
Wie für John und Patrick war das Gespenst für jedermann unsichtbar.
Nun verwandelte sich meine Furcht in Entsetzen, und ich sah ein, daß ich tatsächlich wahnsinnig würde.
Von diesem Abend an bemerkte man die Veränderung, die mit mir vorging. Jedermann fragte mich, welche Sorgen mich quälten.
Ich fand mein Gespenst im Vorzimmer wieder. Wie bei meiner Ankunft eilte es mir auf dem Heimweg voraus, kehrte mit mir nach Hause und hinter mir in mein Zimmer zurück und setzte sich wie die Nacht zuvor in den Sessel. Nun wollte ich mich überzeugen, ob etwas Wirkliches und besonders etwas Fühlbares an dieser Erscheinung wäre. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und
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