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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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und das Ske­lett ist nicht ge­kom­men.«
    »Se­hen Sie nach Ih­rer Uhr, Dok­tor, und wenn die Stun­de vor­über ist, so wer­de ich wie Sie Vik­to­ria ru­fen.«
    Der Dok­tor sah nach sei­ner Uhr, sag­te aber nichts.
    »Sie hat­ten sich ge­irrt, nicht wahr, Dok­tor?« sag­te der Kran­ke. »Es ist ge­ra­de sechs Uhr.«
    »Ja.«
    »Nun, da tritt auch das Ske­lett ein.«
    Und der Kran­ke warf sich mit ei­nem tie­fen Seuf­zer zu­rück.
    Der Arzt blick­te nach al­len Sei­ten.
    »Wo se­hen Sie es denn?« frag­te er.
    »An sei­nem ge­wöhn­li­chen Platz, hin­ter mei­nem Bett, zwi­schen den Vor­hän­gen.«
    Der Dok­tor stand auf, zog das Bett vor, ging hin­ter das­sel­be und nahm zwi­schen den Vor­hän­gen den Platz ein, den das Ske­lett ein­neh­men soll­te.
    »Und jetzt«, sag­te er, »se­hen Sie es im­mer noch?«
    »Ich se­he nicht mehr den un­te­ren Teil sei­nes Kör­pers, da der Ih­re es mir ver­birgt, aber ich se­he sei­nen Schä­del. Über Ih­rer rech­ten Schul­ter. Es ist, als ob Sie zwei Köp­fe hät­ten, einen le­ben­den und einen to­ten.«
    So un­gläu­big der Arzt auch war, er schau­der­te doch un­will­kür­lich. Er wand­te sich um, aber er sah nichts.
    »Mein Freund«, sag­te er trau­rig, in­dem er zu dem Kran­ken zu­rück­kehr­te, »wenn Sie noch kein Tes­ta­ment ge­macht ha­ben, so be­ei­len Sie sich.« Und er ent­fern­te sich.
    Als John neun Ta­ge spä­ter in das Zim­mer sei­nes Herrn trat, fand er ihn tot in sei­nem Bett.
    Es wa­ren ge­nau drei Mo­na­te seit der Hin­rich­tung des Räu­bers ver­gan­gen …
     

 
Spuk im Klub
von
H. G. Wells
     
     
    Her­bert Ge­or­ge Wells (1866-1946) war ein au­ßer­or­dent­lich pro­duk­ti­ver Au­tor, der sich in ers­ter Li­nie als Re­for­mer und Zeit­kri­ti­ker ver­stand. Sei­ne ers­ten Ro­ma­ne, na­tur­wis­sen­schaft­li­che Phan­tasi­en in der Art Ju­les Ver­nes, ge­hö­ren längst in das Re­per­toire der klas­si­schen Science Fic­ti­on-Li­te­ra­tur, so »Die Zeit­ma­schi­ne« (1895) oder »Krieg der Wel­ten« (1898). Man­che sei­ner da­mals bahn­bre­chen­den Ide­en sind heu­te All­ge­mein­gut ge­wor­den. Daß H. G. Wells auch Spuk­ge­schich­ten ge­schrie­ben hat, mag zwar bei ei­nem so fort­schritt­li­chen, auf­klä­re­ri­schen Geist be­frem­den, nimmt aber kaum noch wun­der, wenn man sich die Tat­sa­che vor Au­gen hält, daß er Eng­län­der war.
     
     
    Ich er­in­ne­re mich noch leb­haft dar­an, wie Clay­ton sei­ne letz­te Ge­schich­te er­zähl­te. Da saß er, am Schau­platz der Ge­schich­te selbst, in ei­nem Ses­sel ne­ben dem of­fe­nen Ka­min. Ne­ben ihm San­der­son, die un­ver­meid­li­che Pfei­fe zwi­schen den Zäh­nen. Auch Evans war da und Wish, die­ser groß­ar­ti­ge Schau­spie­ler und be­schei­de­ne Mensch. Wir al­le wa­ren an die­sem Sonn­abend vor­mit­tags zum Golf­spie­len in den Mer­maid Club ge­kom­men – au­ßer Clay­ton, der hier über­nach­tet hat­te, was den An­laß zu sei­ner Ge­schich­te gab. Wir hat­ten bis zum Ein­bruch der Däm­me­rung Golf ge­spielt, dann ge­ges­sen. Und nun be­fan­den wir uns in je­ner an­ge­reg­ten Stim­mung, in der man sei­ner Phan­ta­sie gern frei­en Lauf läßt.
    Als Clay­ton zu er­zäh­len be­gann, wa­ren wir na­tür­lich fest über­zeugt, daß er log. Viel­leicht log er wirk­lich – das mag der Le­ser selbst ent­schei­den. Zwar schil­der­te er sein Er­leb­nis ernst­haft und über­zeu­gend, wie man ei­ne wah­re Be­ge­ben­heit be­rich­tet; aber wir hiel­ten das nur für den Kunst­griff ei­nes gu­ten Er­zäh­lers.
    »Wißt ihr ei­gent­lich, daß ich letz­te Nacht al­lein hier war?« be­merk­te er nach ei­ner lan­gen Ge­sprächs­pau­se, in der wir al­le den Fun­ken­flug im Ka­min be­ob­ach­tet hat­ten.
    »Au­ßer der Die­ner­schaft«, be­rich­tig­te Wish.
    »Die schläft im an­de­ren Flü­gel«, sag­te Clay­ton. »Tja …« Er zog ei­ne Wei­le an sei­ner Zi­gar­re, als zö­ger­te er im­mer noch, ob er sich uns an­ver­trau­en sol­le. Und schließ­lich sag­te er ru­hig: »Ich ha­be ein Ge­spenst ge­fan­gen.«
    »So, ein Ge­spenst?« mein­te San­der­son un­be­ein­druckt. »Wo ist es?«
    Und Evans, der Clay­ton be­wun­der­te und vier Wo­chen in Ame­ri­ka ge­we­sen war,

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