18 Gänsehaut Stories
nicht nur ihr Gesicht widerspiegelte, sondern auch die Schatten von anderen Gesichtern, die um sie herumwirbelten und sie festhielten.
Er hob die Hand mit dem Schraubenschlüssel und ließ sie auf die Dunkelheit der anderen Gesichter hinabsausen. Er schlug wild darauf los. Er schlug und schlug. Er schlug so lange, bis die Schreie erstarben. Dann erst hörte er auf und blickte auf sie hinunter. Es spiegelten sich keine Schatten mehr, aber sie war immer noch da. Sie war ganz ruhig – und sie würde für immer ruhig bleiben. Das Wasser färbte sich dort, wo ihr Kopf ruhte, rot. Genauso rot, wie das Ende des Schraubenschlüssels, den er in der Hand hatte.
Er machte den Mund auf, um ihr alles zu erklären, aber dann merkte er, daß sie tot war.
Jetzt gab es nur noch ihn und es.
Er schleppte sich die Treppe hinauf. Seine Hand umklammerte immer noch den blutigen Schraubenschlüssel. Er wankte zum Telefon, um die Polizei anzurufen.
Er sank auf den Hocker, der vor dem Telefon stand und grübelte, was er der Polizei sagen sollte, wie er das Ganze erklären könnte. Es würde nicht so einfach sein. Wissen Sie, da war diese Verrückte, die so lange in die Spiegel starrte, bis ihr Spiegelbild lebendiger als ihr Körper war. Deshalb lebte sie auch irgendwie weiter, nachdem sie Selbstmord begangen hat. Sie erscheint in Spiegeln und im Glas und in jedem Material, das etwas reflektiert. Sie tötet andere oder treibt sie in den Tod. Und die Spiegelbilder der Toten vereinen sich mit dem der Verrückten und gewinnen mehr und mehr an Macht. Eitelkeit, dein Name ist Weib. Und darum, meine Herren, habe ich meine Frau umgebracht. War das nicht eine feine Erklärung? Aber sie würde die Flut der Fragen nicht aufhalten. Die Flut! Das Wasser ! Er hätte es wissen müssen. Es war doch klar, daß Wasser Spiegelungen hervorruft. Genauso wie die Fensterscheibe, in die er jetzt starrte.
Und auf einmal war es hinter ihm, wollte aus dem Schatten heraus auf ihn zu. Er sah das bärtige Männergesicht, die starren, leeren Augen eines kleinen Mädchens und den glotzenden Blick einer aufgetakelten Greisin. Es war hinter ihm, neben ihm, um ihn herum, als er aufstand, schloß sich seine Hand fest um den Schraubenschlüssel. Es war nicht greifbar, aber er mußte es bekämpfen und sich damit auseinanderset zen.
Er drehte sich um, taumelte zurück, aber der Ring der schattenhaften Gesichter schloß sich immer dichter um ihn. Dann sah er, wie ihr Gesicht durch die anderen hindurch auf ihn zukam. Es war ihr Gesicht – nur mit dem einen Unterschied, daß da, wo ihre Augen gewesen waren, jetzt gleißende Splitter funkelten. Dieses Gesicht konnte er nicht bekämpfen. Er konnte nicht noch einmal auf sie einschlagen.
Es bewegte sich vorwärts. Es bewegte sich rückwärts. Sein Arm schnellte zurück. Er hörte, wie das Fensterglas hinter ihm zersplitterte, und mußte unwillkürlich daran denken, daß die alte Frau so gestorben war. Genauso, wie er jetzt starb: Er fiel durch das Fenster und schnitt sich die Kehle auf. Der Schmerz durchraste seinen Körper und zerriß sein Gehirn. Er baumelte hilflos in den Glasscherben und verblutete langsam.
Dann war es vorbei.
Auf dem Boden bildete sich eine Lache, die sich bewegte und anwuchs. Das Licht, das von draußen auf die Pfütze fiel, ließ eine Spiegelung erkennen.
Irgend etwas erhob sich jetzt deutlich aus dem Schatten, schwoll an und quirlte und wirbelte und taumelte durch die Dunkelheit.
Es hatte das Gesicht einer Greisin, das Gesicht eines Kindes, das Gesicht eines bärtigen Mannes, ihr Gesicht und sein Gesicht. Es veränderte sich ständig, verwischte die einzelnen Gesichter.
Es tanzte und wand sich, bis es auf einmal zum Stillstand kam und ruhig verharrte. Nachdem es endlich allein im Haus war,
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