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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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setz­te mich rück­wärts­schrei­tend auf den Ses­sel. Ich fühl­te nichts, aber ich sah den Ge­richts­die­ner im Spie­gel hin­ter mir ste­hen. Wie am Abend zu­vor leg­te ich mich zu Bett. So­bald ich im Bett lag, sah ich ihn wie­der auf sei­nem Ses­sel.
    Am fol­gen­den Mor­gen ver­schwand er.
    Die Er­schei­nung dau­er­te einen Mo­nat.
    Dann fehl­te sie ent­ge­gen ih­rer Ge­wohn­heit und blieb einen Tag aus.
    Dies­mal glaub­te ich nicht mehr an ein gänz­li­ches Ver­schwin­den wie das ers­te­mal, son­dern an ir­gend­ei­ne schreck­li­che Ver­än­de­rung, und statt mein Al­lein­sein zu ge­nie­ßen, er­war­te­te ich den nächs­ten Tag vol­ler Ent­set­zen.
    Am an­dern Tag hör­te ich beim letz­ten Schlag der sechs­ten Stun­de ein lei­ses Rau­schen in den Vor­hän­gen mei­nes Bet­tes, und an der Wand er­blick­te ich ein Ske­lett.
    Das Ske­lett stand re­gungs­los dort und blick­te mich mit sei­nen hoh­len Au­gen an.
    Ich stand auf, mach­te meh­re­re Gän­ge in mei­nem Zim­mer – der To­ten­kopf folg­te al­len mei­nen Be­we­gun­gen. Die Au­gen ver­lie­ßen mich kei­nen Au­gen­blick, der Kör­per blieb re­gungs­los.
    Die­se Nacht hat­te ich nicht den Mut, mich zu Bett zu le­gen. Ich schlief, oder ich blieb viel­mehr mit ge­schlos­se­nen Au­gen im Lehn­stuhl sit­zen, in dem sonst das Ge­spenst saß, nach des­sen Ge­gen­wart ich mich nun so­gar sehn­te.
    Mit Ta­ges­an­bruch ver­schwand das Ske­lett.
    Am Abend be­fahl ich John, mein Bett von der Stel­le zu rücken und die Vor­hän­ge zu­zu­zie­hen.
    Beim letz­ten Schlag der sechs­ten Stun­de hör­te ich das­sel­be Rau­schen, ich sah die Vor­hän­ge sich be­we­gen, dann er­blick­te ich zwei Kno­chen­hän­de, die die Vor­hän­ge mei­nes Bet­tes zu­rück­schlu­gen, dann nahm das Ske­lett sei­nen Platz ein wie die Nacht zu­vor.
    Doch jetzt hat­te ich den Mut, mich zu Bett zu le­gen.
    Der Kopf, der wie tags zu­vor al­len mei­nen Be­we­gun­gen ge­folgt war, neig­te sich nun zu mir. Die hoh­len Au­gen, die mich wie in der vor­her­ge­hen­den Nacht kei­nen Au­gen­blick aus dem Blick ver­lo­ren hat­ten, hef­te­ten sich auf mich.«
    Am fol­gen­den Tag kam der Dok­tor um sie­ben Uhr mor­gens in das Zim­mer sei­nes Freun­des.
    »Nun«, frag­te er ihn, »was macht das Ske­lett?«
    »Es ist so­eben ver­schwun­den«, ant­wor­te­te die­ser mit schwa­cher Stim­me.
    »Gut, wir wol­len es so ein­rich­ten, daß es heu­te nacht nicht wie­der­kommt.«
    »Tun Sie es.«
    »Sie sa­gen, daß es mit dem letz­ten Schlag der sechs­ten Stun­de kommt?«
    »Je­des­mal.«
    »Gut, fan­gen wir da­mit an, die Uhr an­zu­hal­ten«, und er hielt den Pen­del an.
    »Was wol­len Sie tun?«
    »Ich will Ih­nen die Mög­lich­keit neh­men, die Zeit zu er­ken­nen.«
    »Gut.«
    »Jetzt wol­len wir die Lä­den schlie­ßen und die Vor­hän­ge der Fens­ter zu­zie­hen.«
    »Warum das?«
    »Im­mer zu dem­sel­ben Zweck, da­mit Sie nicht wis­sen, wel­che Ta­ges­zeit es ist.«
    »Tun Sie es.«
    Die Lä­den wur­den zu­ge­macht, die Vor­hän­ge zu­ge­zo­gen, und wir zün­de­ten Ker­zen an.
    »Hal­ten Sie ein Früh­stück und ein Mit­tages­sen be­reit, John«, sag­te der Dok­tor, »wir wol­len nicht zu be­stimm­ten Stun­den be­dient sein, son­dern nur dann, wenn ich ru­fen wer­de.«
    »Sie hö­ren, John«, sag­te der Kran­ke.
    »Ja, Herr.«
    »Dann ge­ben Sie uns Kar­ten, Wür­fel, Do­mi­nos, und las­sen Sie uns al­lein.«
    John brach­te die ver­lang­ten Ge­gen­stän­de und ent­fern­te sich.
    Der Dok­tor be­gann da­mit, den Kran­ken nach Kräf­ten zu zer­streu­en, in­dem er bald plau­der­te, bald mit ihm spiel­te; dann, als er Hun­ger hat­te, läu­te­te er.
    John brach­te das Früh­stück.
    Nach dem Früh­stück be­gann das Spiel wie­der und wur­de spä­ter durch ein neu­es Läu­ten des Dok­tors un­ter­bro­chen.
    John brach­te das Mit­tages­sen. Sie aßen und tran­ken, nah­men Kaf­fee und spiel­ten wei­ter. So für sich ge­las­sen, er­schi­en ih­nen der Tag lang. Der Arzt glaub­te, daß die ver­häng­nis­vol­le Stun­de vor­über sein müß­te.
    »Nun denn!« Er stand auf. »Vik­to­ria.«
    »Wie, Vik­to­ria?« frag­te der Kran­ke.
    »Es muß zwei­fel­los zum min­des­ten acht bis neun Uhr sein,

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