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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Hin­ter­zim­mer am En­de des Haus­flurs vor­an.
    »Kom­me ich noch früh ge­nug?« frag­te un­ser Freund be­sorgt.
    »Zu früh«, war die Ant­wort.
    Der Arzt dreh­te sich mit ei­ner ver­wun­der­ten und un­ru­hi­gen Mie­ne, die er nicht ver­ber­gen konn­te, ob­gleich er es gern ge­tan hät­te, has­tig um.
    »Tre­ten Sie nur rein, Sir«, sag­te sein Füh­rer, dem die­se Un­ru­he of­fen­bar nicht ent­gan­gen war; »tre­ten Sie nur rein; Sie sol­len auf mein Wort kei­ne fünf Mi­nu­ten auf­ge­hal­ten wer­den.«
    Un­ser Freund ging in das Zim­mer und blieb al­lein.
    Es war ein klei­nes kal­tes Ge­mach mit nur zwei schlech­ten Stüh­len und ei­nem eben­so schlech­ten Tisch. Im Ka­min brann­te ein win­zi­ges Feu­er und diente nur da­zu, die Luft duns­ti­ger zu ma­chen, denn die Feuch­tig­keit floß im ei­gent­li­chen Sin­ne von den Wän­den her­un­ter. Durch das Fens­ter, des­sen Schei­ben großen­teils zer­bro­chen und ver­stopft wa­ren, sah man in einen klei­nen mit Was­ser an­ge­füll­ten Gar­ten. Nichts reg­te sich, we­der im Hau­se noch au­ßer­halb, und un­ser Freund setz­te sich schau­ernd an den Ka­min, den Er­folg sei­nes ers­ten ärzt­li­chen Be­suchs ab­zu­war­ten.
    Nach ei­ni­gen Mi­nu­ten hör­te er ein Fuhr­werk dem Hau­se sich nä­hern. Es hielt, die Haus­tür wur­de ge­öff­net, so­dann folg­ten ein lan­ges Hin- und Her­re­den und ein Ge­räusch von Fuß­trit­ten und Ge­drän­ge auf dem Haus­flur und der Trep­pe, als wenn zwei oder drei Män­ner et­was Schwe­res hin­auf­trü­gen. Bald dar­auf ka­men sie wie­der her­un­ter und ent­fern­ten sich aus dem Haus. Die Tür wur­de hin­ter ih­nen ver­schlos­sen, und al­les war wie­der still wie zu­vor.
    Es ver­flos­sen aber­mals fünf Mi­nu­ten, und der Arzt hat­te sich eben ent­schlos­sen, je­mand im Hau­se auf­zu­su­chen, als die Tür ge­öff­net wur­de und sei­ne Be­su­che­rin vom ver­gan­ge­nen Abend, eben­so ge­klei­det und durch den­sel­ben schwar­zen Schlei­er ver­hüllt, ihm wink­te. Ih­re un­ge­wöhn­li­che Grö­ße und der Um­stand, daß sie nicht sprach, rief auf einen Au­gen­blick den Ge­dan­ken in ihm her­vor, daß er es mit ei­nem ver­klei­de­ten Mann zu tun ha­ben könn­te; al­lein ih­re gram­volle Stel­lung, ihr krampf­haf­tes Schluch­zen über­zeug­te ihn so­gleich wie­der, daß sein Arg­wohn tö­richt sei, und er folg­te ihr mit ra­schen Schrit­ten. Sie führ­te ihn die Trep­pe hin­auf und blieb an der Tür des vor­de­ren Zim­mers ste­hen, ihn hin­ein­zu­las­sen. Das Ge­mach war sehr dürf­tig, nur mit ei­nem al­ten tan­ne­nen Schrank, ei­ni­gen Stüh­len, ei­nem Bett oh­ne Vor­hän­ge und ei­ner ge­wür­fel­ten De­cke ver­se­hen. Das ver­dun­kel­te Fens­ter ließ so we­nig Licht ein­drin­gen, daß man al­le Ge­gen­stän­de nur sehr un­be­stimmt sah, und der Arzt hat­te da­her auch die mensch­li­che Ge­stalt nicht so­gleich be­merkt, auf wel­cher sei­ne Bli­cke haf­te­ten, so­bald die Frau an ihm vor­über­stürz­te und sich vor dem Bett auf die Knie warf.
    Aus­ge­streckt auf dem Bett, dicht ein­gehüllt in ein lei­ne­nes Tuch und mit De­cken be­deckt, lag die Ge­stalt steif und re­gungs­los da. Ihr Kopf und Ge­sicht wa­ren die ei­nes Man­nes und un­ver­hüllt, nur daß um den ers­te­ren ei­ne Bin­de ge­schlun­gen und un­ter dem Kinn zu­ge­bun­den war. Die Au­gen wa­ren ge­schlos­sen. Der lin­ke Arm ruh­te schwer auf dem Bett, und die Frau hat­te die ih­ren Druck nicht er­wi­dern­de Hand ge­faßt. Der Arzt schob sie sanft zur Sei­te und er­faß­te die Hand selbst.
    »Mein Gott!« rief er aus, sie un­will­kür­lich wie­der fal­len las­send, »der Mann ist tot!«
    Die Frau fuhr em­por und schlug die Hän­de zu­sam­men.
    »O sa­gen Sie das nicht, Sir«, schrie sie so lei­den­schaft­lich, daß un­serm Freund der Ge­dan­ke zu­rück­kehr­te, sie müs­se wahn­sin­nig sein; »sa­gen Sie das nicht; ich kann – kann es nicht – kann es un­mög­lich er­tra­gen! Es sind schon vie­le Men­schen wie­der ins Le­ben zu­rück­ge­holt wor­den, die von un­ge­schick­ten Ärz­ten gänz­lich auf­ge­ge­ben wur­den, und vie­le and­re ge­stor­ben, die hät­ten wie­der­her­ge­stellt wer­den kön­nen, wenn

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