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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ge­wöhn­li­cher Dieb ge­we­sen«, füg­te er hin­zu, in­dem er sei­nen Ober­rock an den Tür­na­gel häng­te.
    »Was ist Ih­nen denn fort­ge­kom­men?« frag­te mein Schlaf­ka­me­rad Nan­sen.
    »Bei­de Ar­me mei­nes Ske­letts, das ich ge­ra­de vom all­ge­mei­nen Hos­pi­tal er­hal­ten hat­te«, sag­te Söl­ling mit ei­ner Mie­ne, als hät­te man ihm sei­nen letz­ten Pfen­nig ge­stoh­len. »Es ist rei­ner Van­da­lis­mus!«
    Wir an­dern bra­chen in ein Ge­läch­ter über einen so ab­son­der­li­chen Dieb­stahl aus, aber Söl­ling fuhr fort:
    »Kann je­mand von euch das be­grei­fen? Bei­de Ar­me futsch, ge­ra­de im Schul­ter­ge­lenk ab­ge­schnit­ten, und, was das Selt­sams­te ist, das­sel­be war bei mei­nem al­ten, räu­che­ri­gen Ske­lett der Fall, wel­ches drin­nen in mei­ner Schlaf­stu­be stand – nicht mehr Ar­me, als hier auf mei­ner fla­chen Hand!«
    »Das ist schlimm«, be­merk­te ich; »wir soll­ten ja heu­te abend ge­ra­de die Ana­to­mie des Ar­mes durch­neh­men.«
    »Os­teo­lo­gie!« ver­bes­ser­te Söl­ling ernst­haft. »Ho­le dein Ske­lett her­vor, klei­ner Siem­sen! Es ist nicht so gut wie meins, aber wir kön­nen uns im­mer­hin für heu­te da­mit be­hel­fen.
    Ich schritt nach der Fens­te­r­e­cke, wo ich hin­ter ei­nem ein­fa­chen grü­nen Shir­ting-Vor­hang mei­ne ana­to­mi­schen Schät­ze – ›das Mu­se­um‹, wie Söl­ling es nann­te – ver­barg. Aber wer schil­dert mei­ne Ver­blüfft­heit, ja, mei­nen Schreck, als ich zwar mein Ske­lett auf sei­nem al­ten Plat­ze und, wie ge­wöhn­lich, mit der Stu­den­ten­uni­form, Tscha­ko, Sä­bel und Pa­tro­nen­ta­sche ge­schmückt fand, aber – oh­ne Ar­me.
    »Zum Hen­ker!« schrie Söl­ling, »Das ist der­sel­be Dieb, der bei mir ge­we­sen ist; die Ar­me sind ganz auf die­sel­be Wei­se vom Schul­ter­blat­te ge­löst, wie in mei­ner Woh­nung. Das hast du selbst ge­tan, klei­ner Siem­sen!«
    Ich be­teu­er­te mei­ne voll­kom­me­ne Un­schuld, wäh­rend ich mich gleich­zei­tig über die Miß­hand­lung mei­nes schö­nen Ske­letts är­ger­te; aber Nan­sen rief: »War­tet einen Au­gen­blick, ich bin gleich wie­der da.«
    Mit die­sen Wor­ten schoß er in sein Zim­mer, kehr­te aber fast in dem­sel­ben Au­gen­blick blaß und ver­le­gen zu­rück. Das Ske­lett war noch da­ge­we­sen, aber die Ar­me wa­ren ver­schwun­den, ge­stoh­len, und die Schul­ter­bän­der ganz auf die­sel­be Art wie bei dem mei­nen zer­schnit­ten.
    Die Sa­che, wel­che an und für sich rät­sel­haft war, be­gann jetzt un­heim­lich zu wer­den. Ver­ge­bens zer­bra­chen wir uns die Köp­fe mit Ver­mu­tun­gen und Er­klä­run­gen; wir ka­men da­durch nicht wei­ter und sand­ten zu­letzt je­man­den nach der an­de­ren Sei­te des Kor­ri­dors, wo der jun­ge Stu­dent Ravn wohn­te, der, wie ich wuß­te, von dem Por­tier des all­ge­mei­nen Hos­pi­tals ges­tern ein Ske­lett er­hal­ten hat­te. Hier zeig­te sich in­des ei­ne neue Schwie­rig­keit; Ravn war aus­ge­gan­gen und hat­te den Schlüs­sel mit­ge­nom­men. Hans konn­te die Tür nicht auf­ma­chen, ob­schon sie sonst wil­lig ge­nug war, und ein Bo­te, den wir nach dem Kor­ri­dor der Is­län­der hin­über schick­ten, kam mit dem Be­schei­de zu­rück, daß Bjö­vulf Skaf­te­son sei­nen Stu­ben­ge­nos­sen Ei­nar Skal­le­fan­ger mit dem ein­zi­gen dort vor­han­de­nen Ske­let­te sol­cher­ma­ßen ›ver­ar­bei­tet‹ ha­be, daß nur noch ein Paar zer­bro­che­ne Hüft­kno­chen üb­rig ge­blie­ben. Hier war gu­ter Rat teu­er. Kei­ner von uns be­griff den Zu­sam­men­hang. Söl­ling schalt und fluch­te ab­wech­selnd, und die Ge­sell­schaft stand im Be­griff auf­zu­bre­chen, als wir plötz­lich je­mand die Trep­pe her­auf­pol­tern hör­ten. Gleich dar­auf ward die Tür auf­ge­ris­sen, und her­ein trat ei­ne selt­sam ho­he und dür­re Ge­stalt. Es war Niels Daae, ein ält­li­cher Stu­dent, den wir da­mals al­le sehr gut kann­ten.
    Er war ein schnur­ri­ger Ge­sell, die­ser Niels Daae, der ech­te Ty­pus ei­ner Ras­se, die jetzt fast aus­ge­stor­ben ist, die aber zu mei­ner Zeit nicht so sel­ten war. Er hat­te durch ein selt­sa­mes Spiel der Ver­hält­nis­se, wie er es selbst

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