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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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durch­ge­hen­de Pfer­de einen Ka­le­schwa­gen ge­gen die Bäu­me der Al­lee ge­schleu­dert hat­ten, und daß der Kut­scher bei die­ser Ge­le­gen­heit un­ters Rad ge­kom­men war, das sei­nen rech­ten Arm dicht am Schul­ter­ge­lenk zer­knickt hat­te. Im Nu war un­ser lus­ti­ger Ban­kett­saal in ein La­za­rett ver­wan­delt. Glä­ser und Tel­ler muß­ten Bin­den, Ban­da­gen und den blin­ken­den In­stru­men­ten der Ver­band­ta­schen Platz ma­chen, und un­se­re fröh­li­chen Lie­der wur­den von den lau­ten Weh­kla­gen des un­glück­li­chen Pa­ti­en­ten beim Ver­bin­den ab­ge­löst. Die Fest­stim­mung war da­hin und woll­te nicht mehr zu­rück­keh­ren, Söl­ling schüt­tel­te den Kopf und mach­te ei­ne be­deu­tungs­vol­le Ge­bär­de, als der un­glück­li­che Kut­scher nach dem Hos­pi­tal ge­fah­ren wur­de. Sein Aus­spruch lau­te­te da­hin, daß der Arm am­pu­tiert oder viel­mehr im Schul­ter­ge­lenk ab­ge­löst wer­den müs­se, ganz wie es bei un­sern Ske­let­ten ge­sche­hen war, – »ein ver­dammt son­der­ba­res Zu­sam­men­tref­fen«, sag­te er zu mir.
    Schwei­gend und ver­stimmt wan­der­ten wir heim auf dem al­ten Kö­nigs­we­ge, und zum ers­ten Ma­le sah die ehr­wür­di­ge Re­genz ih­re Söh­ne von ei­nem fest­li­chen Ge­la­ge heim­keh­ren, ge­ra­de als der Nacht­wäch­ter in Kan­nike­strä­de sei­ne be­kann­te, bei den Stu­den­ten sehr be­lieb­te Va­ri­an­te an­stimm­te:
     
    Hört, ihr Her­ren, und laßt euch sa­gen,
    Uns­re Glock hat elf ge­schla­gen.
    Elf ist der Apo­stel Zahl,
    Ju­das kommt noch über­all.
     
    »Elf!« rief Söl­ling aus. »Das ist zu früh, um zu Bett zu ge­hen, und zu spät, uns noch wei­ter her­um­zu­trei­ben. Laß uns zu dir hin­auf­ge­hen, klei­ner Siem­sen, und ver­su­chen, heu­te abend noch un­se­re Lek­ti­on nach­zu­ho­len. Du hast Lo­ders ana­to­mi­sche Ta­feln, mit de­nen müs­sen wir uns be­hel­fen, es wird schwer ge­nug hal­ten, daß wir bis Weih­nacht fer­tig wer­den. Es war auch ganz ver wünscht, daß uns just heu­te abend die Ar­me ge­stoh­len wur­den!«
    »Der Dok­tor kann sonst leicht ge­nug Ar­me und Bei­ne be­kom­men, mehr als der Dok­tor braucht«, grins­te Hans, der im sel­ben Au­gen­blick aus dem To­re der Re­genz her­vor­trat, wo er Söl­lings letz­te Wor­te auf­ge­fan­gen hat­te.
    »Wie­so, Hans?« frag­te Söl­ling ver­wun­dert.
    »Ih nun«, ant­wor­te­te Hans, »das kann der Dok­tor be­quem ge­nug ha­ben. Man hat ja das Plank­werk zwi­schen dem Tri­ni­ta­tis-Kirch­ho­fe und der Por­zel­l­an­fa­brik nie­der­ge­ris­sen und ei­ne Rin­ne ge­gra­ben, um ein neu­es zu set­zen. Das sah ich heu­te selbst, als ich durch den Kir­chen­gang kam; aber herr­je­ses, was für ei­ne Mas­se al­ter Ge­bei­ne sie da auf­ge­wühlt ha­ben. Es wa­ren Ar­me und Bei­ne und Köp­fe da­bei, mehr als der Dok­tor zeit­le­bens ge­braucht!«
    »Das hilft uns lei­der nichts, Hans«, ent­geg­ne­te Söl­ling. »Der Kir­chen­gang wird ja um vier Uhr ge­schlos­sen, und es ist bald halb zwölf.«
    »Frei­lich wird er das«, grins­te Hans aber­mals; »al­lein es gibt auch ei­ne an­de­re Ma­nier, hin­ein­zu­kom­men, als ge­ra­de auf die­sem We­ge. Wenn der Dok­tor durch das Tor der Por­zel­l­an­fa­brik ge­hen woll­te, so könn­te er über den Hof und die Müh­le in den so­ge­nann­ten vier­ten Hof ge­lan­gen, wel­cher nach Spring­ga­den hin­aus­führt. Dort ge­ra­de ha­ben sie das Plank­werk nie­der­ge­ris­sen, und von dort kann der Dok­tor be­quem nach dem Kirch­ho­fe ge­lan­gen.«
    »Ja, Hans ist ein Ge­nie«, rief Söl­ling ver­gnügt, »das hab’ ich im­mer ge­sagt. Hör’, klei­ner Siem­sen, du kennst ja die Fa­brik von au­ßen und in­nen und be­suchst oft den Stu­den­ten Out­zen, wel­cher dort wohnt. Geh zu ihm hin­auf und lei­he von ihm den Schlüs­sel zur Quarz­müh­le. Du wirst schon den einen oder an­dern Arm fin­den, der nicht all­zu ver­mo­dert ist. Sei nur recht flink und kom­me bald zu­rück, dann wol­len wir an­dern dort oben auf dich war­ten.«
    Ich muß ehr­lich ge­ste­hen, daß ich in die­sem Au­gen­blick kei­ne son­der­li­che Lust hat­te, auf den Vor­schlag Söl­lings ein­zu­ge­hen. Ich war in

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