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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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nann­te, fast al­le Fa­kul­tä­ten durch­ge­macht und konn­te Zeug­nis­se vor­le­gen, daß er na­he dar­an ge­we­sen war, nicht nur ein, son­dern drei gan­ze Ex­ami­na zu be­ste­hen.
    Er hat­te als Theo­lo­ge be­gon­nen, aber die Er­klä­rung des Erb­schafts­ver­hält­nis­ses zwi­schen Ja­kob und Esau hat­te ihn zur Ju­rispru­denz hin­ge­führt. Als Ju­rist war er durch einen in­ter­essan­ten Gift­mi­scher­fall zu der Er­kennt­nis ge­langt, daß das me­di­zi­ni­sche Stu­di­um ein höchst not­wen­di­ges Ne­ben­fach sei, das kei­nes­falls ver­nach­läs­sigt wer­den dür­fe, und er hat­te sich des­halb mit sol­chem Ei­fer auf das­sel­be ge­wor­fen, daß er das Jus ver­ges­sen hat­te und der Er­war­tung le­ben durf­te, mit vier­zig Jah­ren sein Ex­amen zu be­ste­hen und im ge­setz­ten Al­ter ei­nes Fünf­zi­gers Pra­xis zu be­kom­men.
    Niels Daae nahm die Sa­che, wel­che wir dis­ku­tier­ten, sehr ernst­haft. »Je­der Topf«, sag­te er, »hat zwei Hen­kel, je­de Wurst zwei Zip­fel, je­de Sa­che zwei Sei­ten, aus­ge­nom­men die vor­lie­gen­de, wel­che drei hat. (Bei­fall.) Vom ju­ris­ti­schen Stand­punk­te be­trach­tet, fällt sie un­zwei­fel­haft un­ter die Ka­te­go­rie Dieb­stahl, oder viel­mehr Ein­bruch, oder viel­mehr noch rich­ti­ger Ein­bruchs­dieb­stahl. In­des kann die Sa­che ei­ne Kol­li­si­on von Be­grif­fen und da­durch ei­ne Be­griffs­ver­wir­rung her­vor­ru­fen, was uns zur me­di­zi­ni­schen Sei­te der Sa­che hin­führt, wel­che deut­lich er­gibt, daß der Dieb in geis­tig un­zu­rech­nungs­fä­hi­gem Zu­stan­de ge­han­delt hat, sin­te­mal er nur Ar­me stahl, wo er eben­so­gut gan­ze Ske­let­te hät­te neh­men kön­nen. Ist er al­so von ju­ri­di­schem Stand­punk­te we­gen Dieb­stahls oder zum min­des­ten we­gen un ge­setz­li­cher An­eig­nung frem­den Ei­gen­tums zu ver­ur­tei­len, so muß ich ihn von me­di­zi­ni­schem Stand­punk­te aus frei­spre­chen, weil er in un­zu­rech­nungs­fä­hi­gen Zu­stan­de war. Hier ge­ra­ten al­so zwei Fa­kul­tä­ten, rein fach­mä­ßig be­trach­tet, in Streit mit­ein­an­der, und das Recht ist un­ent­schie­den. – Aber jetzt«, fuhr Niels Daae fort, »ver­mitt­le ich die Streit­sa­che vom theo­lo­gi­schen Stand­punkt zu ei­ner hö­he­ren Ein­heit, wel­che auf das Uni­ver­sel­le hin­weist. Die Vor­se­hung hat näm­lich in Ge­stalt ei­nes Gön­ners in Jüt­land, des­sen Kin­dern ich die Früch­te der Weis­heit ein­ge­pfropft ha­be, mir zwei fet­te Gän­se und zwei ve­ri­ta­ble En­ten ge­schickt, wel­che heut abend bei Lars Ma­thie­sen ver­speist wer­den sol­len, wo­hin ich die ver­ehr­li­che Ge­sell­schaft ein­la­de, in­dem ich in dem Ver­schwin­den der Ar­me nur die all­wei­se Lei­tung der Vor­se­hung er­bli­cken kann, wel­che in ih­rer un­be­greif­li­chen Weis­heit sich der Weis­heit wi­der­setzt, die sonst von den Lip­pen mei­nes wür­di­gen Freun­des Söl­ling ge­flos­sen sein wür­de.«
    Daaes et­was kon­fu­se Re­de wur­de mit Ge­läch­ter und Bei­fall­ru­fen auf­ge­nom­men, und nur Söl­ling er­hob ein paar schwa­che Ein­wen­dun­gen, wel­che in­des­sen bald in der Flut von Lus­tig­keit und scherz­haf­ten Ein­fäl­len er­stickt wur­den, die Niels Daaes plötz­li­ches Er­schei­nen her­vor­ge­ru­fen hat­te.
    Ich ha­be oft Ge­le­gen­heit ge­habt, die Be­ob­ach­tung zu ma­chen, daß im­pro­vi­sier­te Ge­la­ge die hei­ters­ten sind, und so war es auch an je­nem Abend. Niels Daae re­ga­lier te uns mit den En­ten und mit sei­nen bes­ten Ein­fäl­len, Söl­ling sang sei­ne bes­ten Lie­der, der jo­via­le Lars Ma­thie­sen er­zähl­te sei­ne bes­ten Ge­schich­ten, und das Ban­kett war im schöns­ten Gan­ge, als wir drau­ßen auf der Stra­ße Ge­schrei und Ru­fen ver­schie­de­ner Stim­men ver­nah­men, dann ein dump­fes Ge­krach, be­glei­tet vom Klir­ren zer­bro­che­ner Schei­ben, mit ein paar gel­len­den Wehl­au­ten un­ter­mischt.
    »Es ist ein Un­glück ge­sche­hen!« rief Söl­ling, wel­cher im Handum­dre­hen drau­ßen vor der Tü­re war, – und es ver­hielt sich wirk­lich so. Als wir auf Al­lee­ga­den hin­aus ka­men, sa­hen wir, daß ein Paar

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