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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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All­mäh­lich ver­moch­te ich die ein­zel­nen Ge­stal­ten zu un­ter­schei­den. Al­le tru­gen die al­ten Trach­ten der Hol­berg­schen Zeit: Die Da­men Bro­kat- und At­las­ge­wän­der, mit Per­len­schnü­ren im hoch auf­ge­türm­ten, stark ge­pu­der­ten Haa­re; die Her­ren meist Uni­for­men mit Knie­ho­sen und De­gen, den Cha­peau­bas un­ter dem Ar­me. Vor al­lem je­doch zog die Braut mei­ne Auf­merk­sam­keit an. Sie war in wei­ßen At­las ge­klei­det, und auf den ge­pu­der­ten Lo­cken, die halb von dem her­ab­wal­len­den Schlei­er ver­deckt wur­den, lag ein wel­ker Myr­ten­kranz. Ihr zur Sei­te schritt der Bräu­ti­gam in ro­ter Uni­form und mit ei­nem Stern auf der Brust. Sie nä­her­ten sich dem Al­ta­re, wo ein Geist­li­cher im schwar­zen Or­nat und mit wei­ßer Al­lon­ge­pe­rücke sie er­war­te­te. Sie tra­ten vor ihn hin, und ich konn­te deut­lich wahr­neh­men, daß er ein Ri­tu­al oder ei­ne For­mel aus der Agen­de ver­las, die er in der Hand hielt, und de­ren Gold­schnitt im Lich­te fun­kel­te.
    Ei­ner von dem Ge­fol­ge schritt her­an und schnall­te den De­gen des Bräu­ti­gams los, wel­cher dar­auf sei­ne rech­te Hand der Braut ent­ge­gen­streck­te.
    Sie woll­te ihm die ih­re ge­ben, aber im sel­ben Au­gen­blick stürz­te sie ohn­mäch­tig nie­der. Das gan­ze Ge­fol­ge dräng­te sich um die Braut, wel­che be­wußt­los vor den Al­tar­stu­fen lag, – da er­lo­schen plötz­lich die Lich­ter, der Or­gel­klang ver­stumm­te, und die Ge­stal­ten zer­flos­sen wie blei­che Ne­bel­mas­sen.
    Drau­ßen auf dem Plat­ze je­doch nahm die Hel­lig­keit zu, das Glo­cken­ge­läut dau­er­te fort, und plötz­lich öff­ne­ten sich weit die Flü­gel der Kir­chen­tür, und der­sel­be Hoch­zeits­zug be­weg­te sich über den Platz. Ich woll­te ent­flie­hen; aber es war mir nicht mög­lich, ei­ne Mus­kel zu re­gen. Starr und fest­ge­bannt muß­te ich auf die geis­ter­haf­ten Ge­stal­ten hin­ab­stie­ren, die nä­her und nä­her zu mir her­an­rück­ten. Zu­erst kam der Pre­di­ger, dann der Bräu­ti­gam mit der Braut, und als letz­te­re ih­re Au­gen er­hob und den Blick auf mich hef­te­te, er­kann­te ich, daß es das jun­ge Mäd­chen aus dem Gar­ten war. Es lag et­was so Schmerz­li­ches, so Weh­mü­ti­ges und so Fle­hen­des in die­sem Blick, daß ich ihn kaum zu er­tra­gen ver­moch­te; aber nim­mer ver­mag ich das er­schüt­tern­de Ge­fühl zu schil­dern, das mich durch­zuck­te, als ich plötz­lich wahr­nahm, daß der rech­te Är­mel ih­res wei­ßen At­las­ge­wan­des leer und schlaff her­un­ter­hing.
    Ein ei­si­ges Grau­sen er­griff mich. Ich fühl­te, daß die Schar ei­ne be­stimm­te Missi­on hat­te; ich wuß­te, sie wer­den her­an­kom­men und Re­chen­schaft von mir for­dern, ob­schon die klaf­ter­di­cken Mau­ern der Re­genz zwi­schen ihr und mir la­gen. Schau­dernd blieb ich ste­hen, bis das letz­te Paar vom Plat­ze ver­schwun­den war. Da hör­te ich die Glo­cke der Re­genz er­schal­len, – nicht wie sonst mit lus­ti­gem, ver­gnüg­tem To­ne, son­dern mit ei­nem selt­sam hei­se­ren, tro­ckenen, ge­bors­te­nen Klan­ge, und gleich dar­auf knarr­te das Tor in sei­nen An­geln. Ich wand­te mich ge­gen die Tür, ich wuß­te, daß sie ver­schlos­sen sei, und doch wuß­te ich, daß mir das nichts nüt­zen wür­de, daß sie her­ein­kom­men wür­den, selbst wenn ei­ne ei­ser­ne Mau­er zwi­schen ih­nen und mir lä­ge. Selt­sam knis­ter­te und rausch­te es durch die Luft, bald wie Sei­de und At­las, die an den Trep­pen- und Tür­pfos­ten an­s­tie­ßen, bald wie das dür­re, ra­scheln­de Rohr, wenn der Win­ter­sturm durch das­sel­be hin­seufzt. Nä­her und nä­her ka­men die schreck­li­chen Ge­stal­ten; die Tür ging nicht auf, aber es war, als wür­de sie in ei­nem glä­ser­nen Ne­bel ver­wan­delt, aus wel­chem die blei­chen Ge­stal­ten her­vor­quol­len. Mehr, im­mer mehr dräng­ten sich her­ein, en­ger, im­mer be­eng­ter ward der Raum in mei­nem Zim­mer, aber da war es, als bö­ten die Mau­ern den dro­hen­den Geis­tern kein Hin­der­nis, als gä­be es für sie nichts Fes­tes, nichts Un­durch­dring­li­ches. Dich­ter und dich­ter schar­ten sie sich um mich her

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