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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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weg­zu­neh­men; ich ge­he gleich zu­rück und le­ge ihn wie­der hin.«
    »Nein, hört nur!« schrie Söl­ling un­ter dem un­aus­lösch­li­chen Ge­läch­ter der an­dern. »Jetzt wird die Sa­che, mei­ner Treu’, ka­da­ver-ly­risch in des Wor­tes ei­gent­lichs­ter Be­deu­tung. Ich will den Arm ha­ben, was es auch kos­ten mag.«
    »Nein«, rief Niels Daae, »da­zu bist du nicht be­rech­tigt. Er ist be­gra­ben und in der Er­de ge­fun­den, rei­nes Fund­gut, und wir an­dern ha­ben eben­so­viel Recht dar­an wie du.«
    »Ja­wohl, je­der kann sei­nen Teil da­von neh­men«, schrie ei­ner von der Ge­sell­schaft.
    »Dar­aus wird nichts«, rief Söl­ling. »Es wä­re ja der schänd­lichs­te Van­da­lis­mus, den Arm zu zer­split­tern. Was Gott zu­sam­men­ge­fügt hat, soll der Mensch nicht schei­den«, füg­te er pa­the­tisch hin­zu.
    »Ver­stei­gert ihn!« schrie Nan­sen, »und laßt das Geld in die Kneip­kas­se wan­dern, die be­darf des­sen sehr.«
    »Ja­wohl, der Arm soll ver­stei­gert wer­den«, rief Daae, in wel­chem plötz­lich der Ju­rist er­wacht war. »Stil­le, mei­ne Her­ren, il ne faut pas ri­re de la mort, wie Na­po­le­on sag­te. Ich bin Auk­tio­na­tor, und der Kirch­hofs­schlüs­sel soll den Ham­mer spie­len.«
    Ein neu­es Ge­läch­ter er­folg­te, als Daae mit gra­vi­tä­ti­scher Wür­de am En­de des Ti­sches Platz nahm und mit nä­seln­der Stim­me und mo­no­to­ner Aus­spra­che los­schnarr­te:
    »Hier­mit wird al­len kund und zu wis­sen ge­tan, daß am 25. No­vem­ber, Mit­ter­nachts prä­zi­se zwölf Uhr, auf dem Kor­ri­dor der Re­genz, Num­mer fünf, oh­ne Ab­hal­tung wei­te­rer Auk­tio­nen, zu ab­so­lu­tem Ver­lauf ein schö­ner und zier­li­cher Da­men­arm mit da­zu­ge­hö­ri­gem In­ven­tar von Hand­wur­zel­kno­chen und Zwi­schen­ge­len­ken samt Fin­ger­spit­zen in hei­lem und gu­tem Zu­stan­de aus­ge­bo­ten wird. Es wird be­merkt, daß das Ver­kauf­te un­mit­tel­bar nach der Auk­ti­on ab­zu­ho­len ist, in der Ver­fas­sung, in wel­cher es sich beim Zu­schla­ge be­fin­det, und wird zah­lungs­fä­hi­gen Käu­fern ein sechs­wö­chent­li­cher Kre­dit ge­währt. – Ein dä­ni­scher Schil­ling ist ge­bo­ten!«
    »Ei­ne Mark!« rief Söl­ling spöt­tisch.
    »Zwei Mark!« schrie ei­ner von der Ge­sell­schaft.
    »Vier!« stei­ger­te Söl­ling. »Das ist er recht­schaf­fen wert. Bie­te mit, Siem­sen! Du siehst ja aus, als sä­ßest du in ei­ner Wasch­ball­je mit le­ben­di­gen Stich­lin­gen.«
    Ich bot ge­zwun­gen ei­ne Mark mehr. Söl­ling bot einen Reichs­ta­ler; nie­mand ging hö­her, der Ham­mer fiel, und der Arm ge­hör­te Söl­ling.
    »Sei so gut«, sag­te die­ser, in­dem er mir ein Mark­stück reich­te, »das hast du red­lich ver­dient. Das ist dein Hand­geld als Lei­chen­räu­ber. Den Rest sollst du nächs­tens er­hal­ten, falls du nicht vor­ziehst, ihn der Kneip­kas­se zu über­wei­sen.«
    Mit die­sen Wor­ten wi­ckel­te Söl­ling den Arm in ein Zei­tungs­blatt. Al­le er­ho­ben sich, und gleich dar­auf pol­ter­te die lus­ti­ge Ge­sell­schaft die Trep­pe hin­ab, das Tor der Re­genz wur­de zu­ge­schla­gen, der Lärm ver­hall­te auf der Stra­ße, und al­les ward still wie das Grab.
    Es war ein selt­sa­mer Über­gang. Ich stand halb be­täubt da und stier­te das in Emp­fang ge­nom­me­ne Mark­stück an, daß ich end­lich me­cha­nisch in die Wes­ten­ta­sche steck­te. Mei­ne Ge­dan­ken wa­ren noch in zu star­ker Be­we­gung, mein Ge­müt zu auf­ge­regt, als daß ich hät­te schla­fen kön­nen. Ich schob die Lam­pe so hoch wie mög­lich em­por und er­griff mein ana­to­mi­sches Kol­le­gien­heft nebst Lo­ders Ta­feln, um mich durch Lek­tü­re zu be­ru­hi­gen; aber das woll­te mir nicht ge­lin­gen, da­zu war die Un­ru­he mei­nes Ge­mü­tes zu groß. Plötz­lich hör­te ich einen Ton wie von ei­nem schwin­gen­den Per­pen­di­kel. Ich er­hob das Haupt und horch­te ge­spannt; denn we­der in mei­nem Zim­mer noch in dem Ne­ben­zim­mer be­fand sich ei­ne Uhr, aber der Ton dau­er­te fort; im sel­ben Au­gen­blick be­gann mei­ne Lam­pe zu fla­ckern, es fehl­te ihr of­fen­bar an Öl. Ge­ra­de als ich mich er­he­ben woll­te, um sie wie­der zu fül­len, fiel

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