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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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kom­men die Ar­me her?« frag­te ich, noch halb ver­stört.
    »Ach, der Teu­fel ho­le die Ar­me!« rief Niels Daae; »sieh nur zu, daß du wie­der auf die Bei­ne kommst! Die Ar­me da? Das sind ja kei­ne an­dern als die, wel­che ich selbst ab­ge­schnit­ten ha­be. Es war ein aus­ge­zeich­net schlau­er Ein­fall. Du weißt ja, wie brum­mig Söl­ling wird, wenn er ein­mal ei­ne Re­pe­tier­stun­de aus­set­zen soll. Nun hat­te ich die Gän­se zu­ge­schickt er­hal­ten und woll­te euch ger­ne zu Lars Ma­thie­sen mit­ha­ben. Ich wuß­te, ihr soll­tet die Os­teo­lo­gie der Ar­me vor­neh­men, des­halb ging ich zu Söl­ling, mach­te die Tür mit sei­nem ei­ge­nen Schlüs­sel auf und stahl die Ar­me von sei­nen Ske­let­ten. Das­sel­be tat ich hier auf der Re­genz, und dei­nen maus­te ich, wäh­rend du un­ten im Le­se­zim­mer warst. Bist du so ge­ni­al ge­we­sen, sie vom Ge­stell her­ab­zu­rei­ßen und die Eti­ket­ten ab­zu­neh­men? Ich hat­te sie so schön mit Pa­pier­strei­fen be­zeich­net, da­mit je­der sein Ei­gen­tum wie­der er­hal­ten kön­ne.«
    Oh­ne ein Wort zu re­den, klei­de­te ich mich an und ging bald mit Daae un­ter dem Ar­me in die fri­sche, küh­le Mor­gen­luft hin­aus.
    In Krystal­ga­den trenn­ten wir uns, und ich wan­der­te un­ver­weilt nach dem Wes­ter­wal­le, wo Söl­ling wohn­te. Oh­ne der Ein­wen­dun­gen sei­ner al­ten Wir­tin zu ach­ten, ging ich in das Zim­mer, wo Söl­ling den Schlaf der Ge­rech­ten schlief. Dort nahm ich den Arm, der noch, in Pa­pier ge­wi­ckelt, auf sei­nem Schreib­ti­sche lag, leg­te das Mark­stück an sei­ne Stel­le und eil­te so rasch wie mög­lich auf den Kirch­hof zu­rück.
    Wie selt­sam war al­les ver­än­dert, als ich wie­der dies Re­vier be­trat! Der Mor­gen­ne­bel hat­te sich ge­lich­tet und hing wie glän­zen­de Reif­per­len in den Zwei­gen der Bäu­me, wo die Sper­lin­ge zwit­scher­ten. Kei­ner der Ar­bei­ter war noch auf dem Kirch­ho­fe. Ich schritt zu der großen Hän­ge-Ei­che hin­über und stand wie­der vor dem schwe­ren Sar­ge von Ei­chen­holz. Be­hut­sam ließ ich den ge­raub­ten Arm in den­sel­ben hin­ab­glei­ten und klopf­te mit sorg­li­cher Hand die ros­ti­gen Nä­gel fest, ge­ra­de als die ers­ten Strah­len der blas­sen No­vem­ber­son­ne über den Kirch­hof spiel­ten.
    Erst da ward es mir wie­der leicht ums Herz.
     
    Dok­tor Siem­sen schwieg und schau­te fra­gen­den Blickes im Krei­se um­her. Drau­ßen er­klang das Schel­len­ge­läu­te des klei­nen isa­bell­far­be­nen nor­we­gi­schen Klep­pers, der un­ge­dul­dig den Kopf schüt­tel­te, und bald dar­auf saß der jo­via­le Dok­tor wie­der auf sei­nem hoch­leh­ni­gen Ses­sel mit Fuß­sack und Kutsch­ver­deck.
    Aber im Pfarr­hau­se schlief man nicht all­zu­viel in die­ser Nacht, – selbst der Vet­ter Ja­kob war er­schüt­tert.

Die Nacht von Penton­ville von
Jean Ray
     
     
    Der flä­mi­sche Fan­tast Jean Ray (1887-1964) ist ei­ne von Le­gen­den um­wo­be­ne Ge­stalt, die meist sei­ne Le­ser er­fan­den und de­nen er nicht wi­der­sprach. Die we­nigs­ten stimm­ten, und schon gar nicht je­ne, der­zu­fol­ge Ray, der ei­gent­lich Ray­mun­dus Jo­han­nes Ma­ria de Kre­mer hieß, einen Groß­teil sei­nes Le­bens als Aben­teu­rer, Schmugg­ler und Pi­rat ver­bracht hat. In Wirk­lich­keit fris­te­te er sein Le­ben zu­nächst als An­ge­stell­ter der Stadt­ver­wal­tung von Gent und ar­bei­te­te spä­ter als frei­er Jour­na­list. Ei­ne sei­ner ers­ten Gru­sel­ge­schich­ten er­schi­en 1919 in der Film zeit­schrift ›Ci­ne­mab­lad‹. Der ers­te Band mit fan­tas­ti­schen Er­zäh­lun­gen, ›Les con­tes du whis­ky‹, wur­de 1925 pu­bli­ziert. Da­nach er­schie­nen Jahr für Jahr Er­zähl­bän­de und Ro­ma­ne, die er in fran­zö­si­scher Spra­che schrieb. Jean Ray hat ein um­fang­rei­ches li­te­ra­ri­sches Oeu­vre hin­ter­las­sen, von dem in Deutsch­land nur sehr we­nig über­setzt vor­liegt, ob­wohl sei­ne Bü­cher äu­ßerst er­folg­reich wa­ren und Meis­ter­wer­ke der fan­tas­ti­schen Li­te­ra­tur sind.
     
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    Die Be­hör­den sorg­ten da­für, die ge­heim­nis­vol­len Um­stän­de, un­ter de­nen Rich­ter

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