18 Geisterstories
ihm runtergehen, wo er in seinem Leichenwagen saß.«
»Was wollte er denn?«
»Sagte, er käme die sterblichen Überreste holen. Und wenn wir sie nicht bald rausrückten, wollte er am nächsten Morgen in die Kreisstadt fahren und sich ‘ne richterliche Verfügung holen.«
Ma sah aus, als wollte sie gleich wieder losflennen. »Er meinte, es sei ein Skandal und eine Schande, Opa so rumsitzen zu lassen. Bei der Hitze und den Fliegen. Sogar beim Gesundheitsamt will er das melden, hat er gedroht. Dann kämen wir in Qua-ran-täne.«
»Und was sagte Opa dazu?«
»Keinen Pieps. Schaukelte einfach weiter, bis Bixbee mit seiner Leichenkutsche abgebraust war. Susie kam kurz rein, als die Sonne unterging. Opa ist brettsteif, sagt sie, aber das kümmert ihn überhaupt nicht. Er fragt bloß dauernd, wann es was zu essen gibt.«
»Das ist gut«, sagte ich. »Dafür hab’ ich genau das Richtige von der Waldhexe gekriegt.«
»Doch nicht etwa Gift?« Pa warf mir einen besorgten Blick zu. »Du weißt, ich bin ein gottesfürchtiger Mann und mag mit so was nichts zu schaffen haben. Außerdem – wie soll man einen vergiften, der schon tot ist?«
»Quatsch«, erwiderte ich. »Das hier hat sie mir mitgegeben.«
Ich zog das Ding aus meiner Hosentasche und hielt es hoch.
»Und was im Namen des Allmächtigen soll das sein?« fragte Ma.
Ich sagte es ihr und erklärte dann, was man damit tun mußte.
»So ‘n Blödsinn hab’ ich meiner Lebtag noch nicht gehört!« meinte Ma.
Pa machte ein düsteres Gesicht. »Ich hätt’s nie zulassen sollen, daß du zur Geisterschlucht gehst. Die Waldhexe muß ihren letzten Funken Verstand verloren haben, wenn sie dir mit so was kommt.«
»Ich schätze, die ist mit allen Wassern gewaschen«, sagte ich. »Und ich hab’ immerhin was bezahlt für den Rat – siebenundachtzig Cents, einen Nickel und die Coolidge-Plakette!«
»Ach, pfeif auf die Plakette!« tröstete mich Pa. »Die hab’ ich einem Yankee abgerissen – einem von diesen Steuerschnüfflern.« Er kratzte sich am Kinn. »Aber bares Geld, das ist was anderes. Vielleicht sollten wir’s doch versuchen.«
»Pa …«, begann Ma.
»Weißt du was Besseres?« Pa schüttelte den Kopf. »So wie ich das seh, haben wir morgen das Gesundheitsamt am Hals. Es wird höchste Zeit, daß wir was unternehmen.«
Ma ließ einen Seufzer los, der so richtig aus der Tiefe kam.
»Na schön, Jody«, sagte sie zu mir. »Wir machen es genauso, wie die Waldhexe gesagt hat. Pa, hol mal Susie und Opa rein. Ich trag inzwischen auf.«
»Glaubst du, daß es damit klappen wird?« fragte Pa und warf einen Blick auf das Ding, das ich in der Hand hielt.
»Es muß«, erklärte ich. »Was anderes haben wir nicht.«
Also ging Pa raus, und ich trat an den Eßtisch, um den Plan der Waldhexe in die Tat umzusetzen.
Kurz drauf kam Pa mit Susie zurück.
»Wo bleibt Opa?« fragte Ma.
»Der geht ganz langsam«, erklärte Susie. »Muß wohl dieser Rigger Mortis sein.«
»Quatsch!« Opa erschien im Eingang und stakte in die Küche wie ‘ne Schabe, die über eine heiße Herdplatte läuft. »Ein bißchen steif fühl ich mich, das ist alles.«
»Steif wie ‘n Brett«, widersprach ihm Pa. »Von Rechts wegen solltest du droben in deinem Bett liegen, mit ‘ner Lilie zwischen den Händen.«
»Nun fang nicht schon wieder an!« fauchte Opa. »Ich hab’ dir gesagt, daß ich noch lang nicht tot bin, wenn ich mal blau anlauf!«
»Mal ist gut«, sagte Susie. »Du siehst so blau aus, daß es blauer gar nicht geht.«
Und das stimmte. Er war blau und irgendwie aufgedunsen, aber das wollte er einfach nicht wahrhaben. Mir fiel ein, was Ma wegen dem Skelett gesagt hatte, und ich wünschte mir ganz fest, daß die Waldhexe recht behalten würde. Sie mußte recht behalten, denn Opa wurde mit jeder Minute toter.
Aber das hätte keiner geglaubt, als er auf das Abendbrot losstürmte.
»Hmm«,sagte er. »Heut hast
Weitere Kostenlose Bücher