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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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den Fuß­soh­len, aber ich blieb da.
    Nach ei­ner Wei­le rief ich: »He – Sie krie­gen Be­such!«
    »Wer da?«
    »Ich bin’s – Jo­dy Tol­li­ver.«
    »Weerr daa?«
    Ich schau­te auf und ent­deck­te ei­ne mäch­ti­ge Schrei­eu le, die auf ei­nem Ast ne­ben der Höh­le hock­te und mich mit ih­ren Fun­kelau­gen anglotz­te.
    Als ich mich wie­der dem Fels­loch zu­wand­te, stand sie plötz­lich da – die Wald­he­xe.
    Ich be­geg­ne­te ihr zum ers­ten­mal im Le­ben, aber ich wuß­te ge­nau, daß sie die Wald­he­xe war. Zaun­dürr und ver­schrum­pelt sah sie aus. Sie trug nur ‘n paar Lum­pen, und ihr Ge­sicht un­ter der alt­mo­di­schen Hau­be war schwarz wie ein Klum­pen Koh­le.
    Quatsch, sag ich zu mir, denk dir nix – das ist ‘ne net­te al­te La­dy, mehr nicht!
    Dann schau­te sie mich an, und ih­re Au­gen wa­ren viel grö­ßer als die von der Eu­le. Sie fun­kel­ten auch dop­pelt so wild.
    Ich spür­te schon wie­der die­ses Krib­beln in den Fuß­soh­len, aber ich guck­te nicht weg.
    »Tag, Wald­he­xe«, sag­te ich.
    »Weerr daa?« kreisch­te die Eu­le.
    »Der jun­ge Tol­li­ver«, rief ihr die Wald­he­xe zu. »Du hast wohl Wachs in den Oh­ren, was? Und nun sei so gut und quatsch nicht stän­dig da­zwi­schen!«
    Die Eu­le warf ihr einen bö­sen Blick zu und flat­ter­te da­von. Die Wald­he­xe kam ganz aus ih­rer Höh­le her­vor.
    »Küm­me­re dich nicht um Am­bro­se«, mein­te sie. »Der ist Be­su­cher nicht ge­wöhnt. Tagein, tag­aus sieht er bloß mich und die Fle­der­mäu­se.«
    »Was für Fle­der­mäu­se?«
    »Ach, die hän­gen drin­nen in der Höh­le.« Die Wald­he­xe strich ihr Kleid glatt. »Ich tat dich ja gern rein­bit­ten, aber bei mir geht’s drun­ter und drü­ber. Ich nehm mir im­mer vor, mal rich­tig auf­zuräu­men, doch meist kommt was da­zwi­schen – erst der ver­damm­te Welt­krieg, dann die Pro­hi­bi­ti­on, und so fort. Ich schaff’s ein­fach nicht.«
    »Aber ich bit­te Sie!« sag­te ich welt­män­nisch. »Es geht so­wie­so um ge­schäft­li­che An­ge­le­gen­hei­ten.«
    »Dach­te ich mir fast.«
    »Hier – ich hab’ Ih­nen auch was Hüb­sches mit­ge­bracht.«
    »Was denn?«
    »Mein Spar­schwein«, er­klär­te ich und reich­te es ihr.
    »Da dank ich dir aber sehr«, sag­te die Wald­he­xe.
    »Schla­gen Sie’s ru­hig ka­putt«, for­der­te ich sie auf.
    Sie schmet­ter­te es an einen Stein, und die Mün­zen roll­ten auf den Bo­den. Flink sam­mel­te sie al­le ein.
    »Wie­viel ist es denn?« frag­te ich. »Ich hab’ im­mer­hin fast zwei Jah­re ge­spart.«
    »Sie­ben­un­dacht­zig Cents, ‘n al­ter Ni­ckel und ‘ne Pla­ket­te zum An­ste­cken.« Sie zahn­te. »Die ist be­son­ders hübsch. Was steht ‘n da drauf?«
    »Keep cool with Coo­lid­ge!«
    »Na, wenn das kein gu­ter Rat ist!« Die Wald­he­xe schob das Geld ein und mach­te die An­steck­na­del an ih­rem Kleid fest. »So, jun­ger Mann – Schön­heit, wem Schön­heit ge­bührt. Und was kann ich für dich tun?«
    »Es ist we­gen mei­nem Opa«, sag­te ich. »Ti­tus Tol­li­ver heißt er.«
    »Ti­tus Tol­li­ver? Aber den kenn ich doch! Hat­te ei­ne Bren­ne­rei in der Holz­hüt­te drun­ten am Bach. Ist ‘n statt­li­cher Mann, mit ‘m schwar­zen Voll­bart, was?«
    »War er viel­leicht mal«, wi­der­sprach ich. »In­zwi­schen ist er ganz ver­hut­zelt, und der Rheu­ma­tis­mus plagt ihn. Au­ßer­dem sieht er schlecht. Und sei­ne Oh­ren tau­gen gar nichts mehr.«
    »Jam­mer­scha­de, so was«, mein­te die Wald­he­xe. »Aber frü­her oder spä­ter geht es mit uns al­len bergab. Und wenn’s so­weit ist, muß man eben den Löf­fel weg­schmei­ßen.«
    »Ge­nau des­halb bin ich hier. Er will nicht.«
    »Was will er nicht?«
    »Er ist tot und will das nicht ein­se­hen.«
    Die Wald­he­xe mus­ter­te mich scharf. »Al­so, das möcht ich ge­nau­er wis­sen.«
    Na, und da re­de­te ich los. Er­zähl­te ihr die gan­ze mie­se Ge­schich­te von An­fang an.
    Sie hör­te mir zu und sag­te kein Wort. Als ich fer­tig war, starr­te sie mich an, bis ich ‘n ganz krib­be­li­ges Ge­fühl be­kam.
    »Ich weiß schon, daß Sie mir nicht glau­ben«, sag­te ich. »Aber ich schwör’s, es ist die rei­ne Wahr­heit.«
    Die Wald­he­xe schüt­tel­te den Kopf. »Ich glaub dir schon, mein Jun­ge. Wie

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