18 Geisterstories
neuen ›selt samen‹ Geschichten zu Papier brachte. Allerdings zeigt der ›Spuk von Rammin‹, daß Ewers seiner gespenstischen Wahnwelt auch heitere Seiten abzutrotzen vermochte.
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Als Dr. Henry Friedel zum Abendessen nach Hause kam, sah er in den Augen seiner jungen Frau Tränen. Er fragte nach dem Grund, sie zeigte ihm einen Brief, den sie eben von ihrer Mutter erhalten hatte:
»Meine liebe Tochter Lotte!
Leider kann ich Dir wieder nur Schlechtes berichten. Die Versicherung will den Hagelschaden nicht bezahlen, weil der Papa, der sich mit dem Inspektor der Gesellschaft überworfen hatte, die letzte Prämie nicht bezahlt hat. Die Mamsell hat gekündigt, sie will sich in die Stadt verheiraten. Der große Braune ist auf dem Felde überanstrengt worden und hat sich die Hinterfesseln verletzt, er muß im Stalle in Bändern hängen. Dazu kommt der ewige Regen, das Korn liegt fast am Boden. Überall nur Kummer und Sorgen. Mit dem Verkauf von Rammin ist es auch nichts geworden. Über den Preis wären sie wohl noch einig geworden, Papa hatte nur 500 000 Mark gefordert. Aber dann hatte der Herr natürlich von unserem schrecklichen Spuk gehört und verlangt, eine Nacht im Mittelzimmer zu schlafen. Am anderen Morgen ist er gleich abgereist und hat an Papa geschrieben, daß er unter keinen Umständen mehr auf Rammin reflektiere. Das ist nun schon der dritte! Es ist ein Jammer, ich glaube, wir werden nie von Rammin wegkommen! Dein Bruder Willi meint zwar, es sei gut, daß aus dem Kaufe nichts geworden ist, da Papa so wenig gefordert habe. Aber ich wäre zu froh, wenn wir doch endlich wegkämen, Papa und ich können die Sorgen kaum mehr ertragen. Dabei braucht Willi bei den Kürassieren so viel Geld, wir wissen nicht, wo es hernehmen. Könntest Du nicht, Lotte, Deinen Mann bewegen, auf Rammin eine neue Hypothek zu geben? nicht viel, etwa 80 000 Mark. Es steht ja vollständig sicher. Bitte, versuche es doch und schreibe mir bald, ob es sich machen läßt. Mit vielen mütterlichen Grüßen an Dich und Deinen Mann.
Deine traurige alte Mutter.«
»Willst du hören, Lotte, was ich von diesem Briefe denke?«
Sie nickte.
»Erstens: daß dieser Herr, der Rammin kaufen wollte, ein großer Esel ist, wenn er 500 000 Mark dafür geben wollte, daß dein Bruder Willi ein noch größerer Esel ist, wenn er sich einbildet, daß das Gut seines Vaters damit zu niedrig bezahlt ist, daß ich endlich der größte Esel wäre, deinem Vater für seinen pommerschen Dreck eine weitere Hypothek von 80 000 Mark zu geben.«
»Henry!«
»Du glaubst mir nicht? – Ich habe mich genau nach dem Werte Rammins erkundigt, als ich deinem Vater vor zwei Jahren die Hypothek gab. Es ist – sehr hoch gerechnet – keine 100 000 Taler mehr wert, dein Vater hat es gründlich heruntergewirtschaftet. Dazu stehen etwa für 200 000 Mark Hypotheken darauf! Bleiben 100 000 Mark Vermögen. Und dabei leben dein Vater und dein Bruder, als ob sie mindestens 500 000 Mark im Jahre zu verzehren hätten!«
Lotte schluchzte.
Er strich ihr leise übers Haar:
»– Höre, Lotte, wir haben noch 14 Tage Zeit, ehe wir zum Nil fahren. Es ist gleichgültig, ob wir die Zeit in Berlin oder irgendwo anders verbringen. Sollen wir nach Rammin fahren? Vielleicht können wir dort etwas helfen?«
»Wir wollen gleich telegrafieren!«
– Am anderen Abend waren sie dort.
Frau von Rammin strahlte; die Hypothek schien ihr sicher.
»Wie lieb, Kinder, daß ihr hergekommen seid. Wir haben den ganzen Tag gearbeitet, um euch alles schön zu machen. Vorn im großen Zimmer sollt ihr schlafen –«
»Verzeihen Sie, Schwiegermama, wir möchten im Erkerzimmer schlafen.«
»– Im Erkerzimmer? Da, wo es spukt, das ist nicht Ihr Ernst, Henry!«
»Gerade da! bitte, lassen
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