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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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muß­ten sie ge­se­hen ha­ben, denn sie blie­ben ab­rupt ste­hen, be­vor ich mit mei­ner Hand die Schul­ter des drit­ten Geis­tes be­rüh­ren konn­te. »Gu­thrie, sind Sie in Ord­nung?« frag­te ich flüs­ternd. Ich weiß, man darf einen Schau­spie­ler vor sei­nem Auf­tritt nicht er­schre­cken, es war sehr tö­richt von mir, aber die Er­in­ne­rung an Mo­ni­cas pa­ni­sche Angst und die ban­ge Fra­ge, wo Gu­thrie sich wohl ver­steckt hat­te, mach­ten mich völ­lig kopf­los.
    In die­sem Au­gen­blick hör­te ich die Stim­me Ho­ra­ti­os:
    »O seht, mein Prinz, er kommt.«
    Gu­thrie ent­zog sich so­gleich mei­nem leich­ten Griff, trat auf die Büh­ne, oh­ne sich auch nur um­zu­dre­hen – und ließ mich schau­dernd zu­rück. Denn bei der Be­rüh­rung sei­nes rau­hen, steif­lei­ner­nen Man­tels hat­te ich an­stel­le von Gu­thries brei­ten Schul­tern nur et­was Kör­per­lo­ses ge­spürt. Ich ver­such­te mir ein­zu­re­den, daß es an Gu­thries Um­hang ge­le­gen ha­ben kön­ne, der bei je­der Be­we­gung ein we­nig von sei­nen Schul­tern weg­stand. Ir­gend et­was in die­ser Art muß­te ich mir ja ein­re­den. Dann dreh­te ich mich um. John Mc­Car­thy und F.F. stan­den vor dem Gar­de­ro­ben­tisch, zwei dunkle Ge­stal­ten, die mir einen neu­en Schreck ver­setz­ten, was wohl auf mei­ne über­spann­ten Ner­ven zu­rück­zu­füh­ren war. Hin­ter den Ku­lis­sen ver­bor­gen be­ob­ach­te­te ich das Ge­sche­hen auf der Büh­ne.
    Der Prin­zi­pal lag auf den Kni­en, wäh­rend er sei­nen De­gen mit dem Heft nach oben wie ein Kreuz hielt und sei­ne lan­ge Re­de be­gann:
    »En­gel und Bo­ten Got­tes, steht uns bei!« …
    Und na­tür­lich hat­te der Geist sei­nen Um­hang so eng um sich ge­schlun­gen, daß man nicht se­hen konn­te, was dar­un­ter ver­bor­gen war. Das klei­ne grü­ne Licht in sei­nem Helm war noch im­mer nicht ein­ge­schal­tet. Für mich war es schreck­lich, daß der klei­ne thea­tra­li­sche Ef­fekt bei der heu­ti­gen Vor­stel­lung fehl­te, weil ich mir nichts sehn­li­cher wünsch­te, als Gu­thries ver­wüs­te­tes al­tes Ge­sicht zu se­hen, um end­lich Ge­wiß­heit zu er­lan­gen. Gleich­zei­tig nis­te­te in mei­ner al­ber­nen Fan­ta­sie die bi­zar­re Vor­stel­lung, wie Gu­thries streit­süch­ti­ger Schwie­ger­sohn ver­är­gert die um ihn Ver­sam­mel­ten an­zisch­te, daß Gil­bert Us­her so ei­fer­süch­tig auf sei­nen Schwie­ger­va­ter sei, daß er ihm nicht ein­mal er­lau­be, sein Ge­sicht auf der Büh­ne zu zei­gen.
    In der fol­gen­den Sze­ne, wo der Geist al­lein mit Ham­let auf der Büh­ne ist, herrsch­te fünf Se­kun­den lang voll­kom­me­ne Fins­ter­nis. Erst dann sprach der Geist sei­ne ers­ten Ver­se:
    »Hör an!«
    Und:
    »Schon naht sich mei­ne Stun­de,/Da ich den schwef­li­gen, qual­vol­len Flam­men/Mich über­ge­ben muß.«
    Falls ir­gend je­mand von uns be­fürch­tet hat­te, der Geist kön­ne sei­nen Text ver­ges­sen ha­ben oder sei so be­trun­ken, daß er nur noch lall­te, so wa­ren die­se Sor­gen im Nu ver­flo­gen. Die Ver­se wur­den mit größ­ter Au­to­ri­tät und Wir­kung ge­spro­chen. Ich war ziem­lich si­cher, daß ich Gu­thries ei­ge­ne Stim­me hör­te. Er spiel­te an die­sem Abend so­gar bes­ser als sonst und in­ter­pre­tier­te die Rol­le noch di­stan­zier­ter, welt­fer­ner, al­lem Er­den­le­ben hoff­nungs­los ent­frem­det.
    Im Zu­schau­er­raum herrsch­te To­ten­stil­le. Ich spür­te, wie Fran­cis Far­ley Scott, der sei­ne Schul­ter an mich preß­te, vor Angst zit­ter­te.
    Je­des Wort, das der Geist sprach, war wie ein an­de­rer Geist, er­hob sich in die Luft und hing schwe­bend über uns, be­vor es in die Ewig­keit ent­schwand. »Ich bin Dei­nes Va­ters Geist: Ver­dammt auf ei­ne Zeit­lang, nachts zu wan­dern …«
    Die Wor­te wa­ren kaum ver­k­lun­gen, da fiel mir ein, daß Gu­thrie ja tot sein konn­te und nun sein Geist ge­kom­men sei, um ei­ne al­ler­letz­te Vor­stel­lung zu ge­ben. Ein schau­der­haf­ter, un­mög­li­cher Ge­dan­ke, aber dann er­in­ner­te ich mich, daß Mo­ni­ca ähn­li­che oder gar noch schreck­li­che­re Ge­dan­ken pei­nig­ten. Ich muß­te un­be­dingt zu ihr ge­hen.
    Wäh­rend die Wor­te des Geis­tes

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