18 Geisterstories
gewissenhaft auf Eure Stunde.«
»Es schlug schon zwölf; mach dich zu Bett, Francisco.«
»Dank für die Ablösung! ‘s ist bitter kalt, und mir ist schlimm zumut.«
»War Eure Wache ruhig?«
»Alles mausestill.«
Mit einem resignierenden Schulterzucken setzte sich John McCarthy nieder. F.F. tat dasselbe, allerdings mit einer ganz anderen Geste: verbittert ballte er die Fäuste. Die Szene war sehr komisch. Zwei Geister saßen in den Kulissen und beobachteten einen dritten Geist, der auf seinen Auftritt wartete. Ich knöpfte meinen Mantel auf, zog ihn aus und hing ihn über meinen linken Arm.
Die beiden ersten Erscheinungen des Geistes sind völlig stumm. Er betritt die Bühne, zeigt sich den Soldaten und ver schwindet wieder. Dennoch applaudierte das Publikum – die zweite, dritte und vierte Reihe, so schien es, grüßte ihren patriarchalischen Helden. Guthrie fiel nicht zu Boden, ja, er ging sogar aufrecht, was vielleicht auf den Applaus zurückzuführen war.
Außergewöhnlich war einzig die Tatsache, daß er vergessen hatte, das kleine grüne Licht in seinem Helm anzuschalten. Aber das war eine Nachlässigkeit, die bei seinem ersten Auftritt nicht ins Gewicht fiel. Als er wieder abtrat und sich in eine dunkle Bühnenecke verziehen wollte, rannte ich zu ihm hinüber und flüsterte ihm zu, daß seine Lampe nicht brannte. Durch den undurchsichtigen grünen Schleier schlug mir als Antwort eine Whiskyfahne entgegen, ansonsten gab er mir grunzend zu erkennen, daß er es erstens bereits wußte, daß die Lampe zweitens noch funktionierte und daß er sich drittens daran erinnern würde, sie beim nächsten Male anzuschalten.
Nach diesem Auftritt schlich ich über die Bühne, wo gerade die Szene im Staatszimmer des Schlosses einge richtet wurde. Joe Rubens hielt mich fest und sagte, Gu thries Lampe sei nicht eingeschaltet gewesen, worauf ich ihm entgegnete, daß ich Guthrie schon darauf aufmerksam gemacht hätte.
»Wo, um Himmelswillen, hat er sich denn die ganze Zeit über rumgetrieben?«
»Ich weiß es nicht.«
In der zweiten Szene trat F.F. der sich inzwischen der Geisterutensilien entledigt hatte, als König auf, eine Rol le, die er fast immer spielte, seine beste übrigens. Gertrude Grainger als Königin wirkte neben ihm sehr majestätisch. Zaghaft rührte sich wieder etwas Applaus, denn unser Prinzipal betrat im schwarzen ›Hamlet‹-Wams die Büh ne, um ungefähr zum siebenhundertsten Male Shakespeares längste und größte Rolle zu spielen. Monica, die immer noch auf ihrem Koffer nahe dem Schaltpult saß, sah unter ihrem Make-up blasser denn je aus. Ich faltete meinen Mantel zusammen und bedeutete ihr wortlos, ihn als Kissen zu benutzen. Dann setzte ich mich neben sie, sie nahm meine Hand, und so verfolgten wir das Spiel vor den Kulissen.
»Fühlen Sie sich besser?« fragte ich sie nach einer Weile flüsternd. Sie schüttelte den Kopf. Dann beugte sie sich zu mir herüber, wobei ihr Mund fast mein Ohr berührte, und wisperte ganz aufgeregt: »Bruce, ich habe Angst. Dieses Theater ist nicht ganz geheuer. Ich glaube einfach nicht, daß es Guthrie war, der den Geist gespielt hat.«
»Natürlich war er es«, flüsterte ich zurück. »Ich habe ja mit ihm gesprochen.«
»Haben Sie sein Gesicht gesehen?« fragte sie.
»Nein, aber ich konnte seine Fahne riechen!« Dann erzählte ich ihr die Sache mit der Helmlampe und fuhr fort: »Francis und John hatten sich beide schon als Geister verkleidet, als plötzlich Guthrie erschien. Mag sein, daß Sie einen von ihnen gesehen haben, bevor die Szene begann, und das brachte Sie auf die Idee, jemand anderer als Guthrie sei aufgetreten.«
Sybil Jameson sah anklagend zu mir herüber, weil ich offenbar zu laut
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