18 Geisterstories
irischen Whisky saufend, angetan mit einem Wintermantel, in der Hand alte Waffen und auf dem Helm ein grünes Licht, das einen geisterhaften Schimmer auf sein Gesicht warf.
Jenseits der Rampe verklang die Ouvertüre in einem düsteren Finale. Die Bühne war vollkommen dunkel. Auf der Seite, wo der Geist auf- und abtritt, stritt man sich flüsternd. Noch im Hut und Mantel rannte ich quer über die Bühne, vorbei an den mattblau angestrahlten Zinnen von Helsingör, und traf auf den Prinzipal, neben dem Joe Rubens und John McCarthy standen. Letzterer war offensichtlich bereit, als Geist auf der Bühne aufzutreten, denn er trug über seiner Fortinbras-Rüstung einen schwarzen Umhang und grüne Schleier.
Nicht weit von ihnen entfernt stand Francis Farley Scott in einem ähnlichen Aufzug, ohne Rüstung, aber in einen Umhang gekleidet, der weit genug war, um darunter sein Königskostüm zu verbergen, auf dem Kopf einen Helm, der noch beeindruckender war als der Johns.
Ihre Gestalten hoben sich dunkel vor den bläulichen Kulissen des Schlosses Helsingör ab. Wir fünf waren die einzigen auf dieser Seite der Bühne. F.F. flehte gestikulierend um die Erlaubnis, sowohl den Geist als auch den König Claudius spielen zu dürfen, da er die Rolle besser beherrsche als John und, was wohl das wichtigste war, Guthries Stimme perfekt genug nachahmen könne, um sogar dessen Kinder zu täuschen und auf diese Weise vielleicht ihre Illusionen über ihren Vater zu bewahren. Sybil hatte durch ein Loch im Vorhang gespäht und alle gesehen, die gestern abend dabeigewesen waren. Guthries Kinder und ihre Freunde und Bekannten hielten die ganze zweite, dritte und vierte Reihe im Parkett besetzt, ungeniert plaudernd und strahlend vor Begeisterung und Aufregung.
Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, daß der Prinzipal sehr aufgebracht über F.F. war, aber auch etwas gerührt, was den letzten Teil seiner Argumentation betraf. Mit sentimental-heroischen Erklärungen dieser Art pflegte F.F. oft seinen unstillbaren Hunger nach persönlichem Ruhm zu kaschieren. Wahrscheinlich glaubte er sogar, was er sagte.
John McCarthy fügte sich bereitwillig den Anordnungen des Prinzipals. Er ist ein Schauspieler, der sich um innere Drangsale nichts schert, es sei denn, es handelt sich darum, genau buchzuführen über die Stunden seines Schlafes und über jeden Penny, den er ausgibt. Auf der Bühne indes kann John mit natürlicher Leichtigkeit Gefühle verkörpern, die er ansonsten zu fühlen vollkommen außerstande ist.
Der Prinzipal brachte F.F. mit einer energischen Geste zum Schweigen und schickte sich gerade an, einen Entschluß zu fassen, als ich eine sechste Person in den Kulissen nahe unserer Gruppe stehen sah, eine schwarze Gestalt, die aussah wie ein in Segeltuch gewickelter Christbaum, mit einem großen Helm auf dem Kopf, der trotz des Schleiers darüber keinen Zweifel an seiner Bestimmung zuließ. Ich packte den Prinzipal am Arm und deutete stumm auf die Figur. Dieser stieß einen derben Fluch aus, ging auf die Figur zu und sagte, sich verlegen räuspernd: »Guthrie, du alter Hundesohn, kannst du denn überhaupt noch auftreten?«
Die Figur grunzte bestätigend.
Joe Rubens zog eine Grimasse, die soviel wie ›Show Busineß‹ bedeutete, dann griff er sich einen Speer vom Garderobentisch und eilte, kurz bevor sich der Vorhang hob, quer über die Bühne, um seinen Auftritt als Marcellus nicht zu versäumen. Die ersten Verse des Dramas ertönten, zuerst noch etwas laut, aber atmosphärisch wunderbar dicht, dann leiser, beklemmender:
»Wer da?«
»Nein, mir antwortet: steht und gebt Euch kund.«
»Lang lebe der König!«
»Bernardo?«
»Er selbst.«
»Ihr kommt
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