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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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gin­gen, Mo­ni­ca dicht ne­ben mir, denn mein Arm lag noch im­mer auf ih­rer Schul­ter, da hör­ten wir einen er­stick­ten männ­li­chen Schre­ckens­schrei, der uns ent­setz­te und zur Ei­le an­trieb. Un­ge­fähr zur glei­chen Zeit wa­ren fast ein Dut­zend Per­so­nen auf der lin­ken Büh­nen­sei­te ver­sam­melt, un­ter ih­nen na­tür­lich der Prin­zi­pal und die an­de­ren, die auf der Büh­ne ge­we­sen wa­ren.
    F.F. und Props stan­den in der Tür zur Re­qui­si­ten­kam­mer und blick­ten in den ver­steck­ten Teil des L-för­mi­gen Raum­es hin­ab. So­gar von der Sei­te sa­hen die bei­den recht mit­ge­nom­men aus. Dann knie­te sich F.F. nie­der und ver­schwand aus mei­nem Ge­sichts­feld, wäh­rend Props sich in ge­krümm­ter Hal­tung über ihn beug­te.
    Als wir uns mit hoch­ge­r­eck­ten Hälsen um Props dräng­ten, um einen Blick zu er­ha­schen – ich war un­ter den ers­ten und stand di­rekt ne­ben dem Prin­zi­pal –, sa­hen wir et­was, das nur einen ein­zi­gen Schluß zuließ: Die­ser Geist wür­de nie mehr vor den Vor­hang tre­ten und sich für den Ap­plaus be­dan­ken kön­nen, der noch im­mer aus dem Zu­schau­er­raum her­auf­bran­de­te, ob­wohl die Haus­lich­ter für die ers­te Pau­se be­reits an sein muß­ten.
    Gu­thrie Boyd lag in sei­nen Stra­ßen­klei­dern auf dem Rücken. Sein Ge­sicht sah grau aus, sei­ne Au­gen blick­ten starr. Um ihn her­um ver­streut la­gen der Um­hang des Geis­tes, der Schlei­er, der Helm und ei­ne lee­re Whis­kyfla­sche.
    Zwi­schen den bei­den un­mit­tel­bar auf­ein­an­der­fol­gen­den Er­schüt­te­run­gen – Mo­ni­cas Ent­hül­lung und die Ent­de­ckung des Leich­nams in der Re­qui­si­ten­kam­mer – hat­te sich ein Zu­stand der Er­schöp­fung mei­nes Den­kens be­mäch­tigt. Mo­ni­cas hilflo­ser, un­gläu­big stau­nen­der Ge­sichts­aus­druck ver­riet mir, daß sie das glei­che wie ich fühl­te. Ich ver­such­te, die Din­ge wie­der in­ein­an­der­zu­fü­gen, aber sie woll­ten ein­fach nicht mehr zu­sam­men­pas­sen.
    F.F. schau­te uns über sei­ne Schul­ter hin­weg an. »Er at­met nicht mehr«, sag­te er, »ich fürch­te, er ist tot.« Dann be­gann er, Boyds Kra­wat­te auf­zu­bin­den, sein Hemd auf­zu­knöp­fen und sei­nen Kopf auf den zu­sam­men­ge­roll­ten Um­hang zu bet­ten. Er reich­te uns die Whis­kyfla­sche zu­rück, de­ren sich Joe schleu­nigst ent­le­dig­te.
    Der Prin­zi­pal schick­te je­man­den nach ei­nem Arzt, und in­ner­halb von zwei Mi­nu­ten brach­te Har­ry Gross­man einen aus dem Pu­bli­kum her­auf, der sei­ne Platz­num­mer und sein Köf­fer­chen an der Abend­kas­se hin­ter­las­sen hat­te.
    Er war ein klei­ner Mann – kaum die Hälf­te von Gu­thrie – und vor Schreck fast ge­lähmt, aber er ver­such­te sich ge­ra­de des­halb mit größ­ter pro­fes­sio­nel­ler Wür­de auf­recht­zu­hal­ten, als wir ihm Platz mach­ten und uns hin ter ihm zu­sam­mendräng­ten.
    Er be­stä­tig­te F.F.’s Dia­gno­se und er­hob sich schnell wie­der, nach­dem er sich für ein paar Se­kun­den bei Gu­thrie nie­der­ge­kniet hat­te. Dann sag­te er sehr has­tig zum Prin­zi­pal, so als wür­den ihm die Wor­te ent­ge­gen sei­ner ge­wohn­ten be­ruf­li­chen Zu­rück­hal­tung über­ra­schend ent­schlüp­fen: »Mr. Us­her, wenn ich nicht selbst Zeu­ge ge­we­sen wä­re, daß die­ser Mann so­eben ei­ne groß­ar­ti­ge schau­spie­le­ri­sche Leis­tung voll­bracht hat, wür­de ich den­ken, er ist seit ei­ner Stun­de oder län­ger tot.«
    Er sprach so lei­se, daß ihn nur we­ni­ge ver­stan­den, aber ich ver­stand ihn, und auch Mo­ni­ca schi­en ihn ver­stan­den zu ha­ben. Und das war die drit­te große Er­schüt­te­rung – ich stell­te mir für einen Au­gen­blick das grau­en­haf­te Bild vor, wie Gu­thrie Boyds Geist oder ir­gend­ein an­de­res We­sen sei­nen to­ten Kör­per zwang, die­se letz­te Auf­füh­rung durch­zu­ste­hen. Wie­der ein­mal ver­such­te ich ver­geb­lich, die ein­zel­nen Tei­le die­ses nächt­li­chen Mys­te­ri­ums rich­tig in­ein­an­der­zu­fü­gen. Der klei­ne Dok­tor blick­te uns lan­ge und ver­wirrt an. »Ich ver­mu­te, er hat den Um­hang über sei­nen Stra­ßen­klei­dern ge­tra­gen?« Er

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