18 Geisterstories
Sonnenstrahlen und dem ausdörrenden Winde in die Tiefe zurückzog. Je klarer der Himmel leuchtete, je bewölkter waren seine Züge, bis endlich der ersehnte Regen kam, mehrere Tage anhielt und einen freundlichen Schein über sein abgewelktes Gesicht verbreitete.
Die Kartoffeln mußten von einer leichtgläubigen und vertrauensseligen Sorte sein, denn sie ließen sich durch diesen Regen verleiten zu keimen, nach einiger Zeit streckten sie die ersten grünen Blätter aus dem Sande hervor und schienen gesonnen, auch von den schwierigsten Umständen sich nicht zurückschrecken zu lassen. Ein warmer Frühling und günstige Regengüsse beförderten ihr Wachstum, und nun begann eine neue Qual für den armen Schneider. Das böse Gewissen leitete seine Blicke mit dämonischer Macht immer auf einzelne seiner Pflanzen, welche unter den anderen durch ein volleres Grün und üppigeres Wachstum sich auszeichneten. Seine Schuld wuchs aus dem Boden und jedes dieser Gewächse war eine grünende Anklage.
Das Kartoffelkraut mochte etwa die Höhe von drei Zoll erreicht haben, und der Schneider dachte schon dar an, ob es wohl Zeit sei zu häufeln, da trat eine große Dürre ein. Der Himmel glänzte wie poliert hernieder und eine unerbittliche Sonne brannte Tag für Tag auf das unbeschützte Feld. Zuweilen rotteten sich nach Mittag einige unternehmende Wolken zusammen und versuchten einen kleinen Angriff; allein am Abend gaben sie schamrot den Versuch auf und die Sonne ging siegreich unter. Einmal gelang es ihnen, sich zu einem Kumulus zu vereinigen, aber sie schienen wenig Vertrauen in sich zu setzen und hatten es sehr eilig. Im hastigen Vorüberschweben bekam das Sandfeld auch seinen Tribut, einige schwere Tropfen fielen puff, puff auf das ausgedörrte Land, und jeder erzeugte eine kleine Staubwolke um sich her. Nach fünf Minuten hatte die gierige Sonne alles wieder aufgesogen. Bald war das ganze Land fußtief in ein feines Pulver verwandelt, das Kartoffelkraut nahm eine gelbgrüne Far be an und legte sich. Jetzt mußte ein schwerer, nachhaltiger Regen kommen, oder alles war verloren.
Das Quecksilber des Barometers, das wochenlang mit einer kleinen Kuppe geziert zu immer heitereren Höhen aufgestiegen war, fing plötzlich an zu sinken. Dann eines Mittags zog ein gewaltiges Gewitter herauf, blieb jedoch in der Ferne stehen und sandte nur einen mächtigen Sturm herüber. Allenthalben in der Weite sah man in dunklen Streifen den Regen aus dem Gewölk herniedergehen, nur hier war weiter nichts als das flatternde Ächzen der Bäume, und die Wege, welche in die Stadt führten, standen wie lange, wogende Staubmauern in der Landschaft.
Am Nachmittag konnte der Schneider es nicht länger aushalten und machte sich auf nach seinem Acker. Ein breiter gelblicher Streif zeigte sich ihm an der Stelle, wo er sonst hinter dem Felde den dunklen Wald zu sehen die Berechtigung hatte. Schlimme Ahnung beflügelte seine Schritte, und als er nahe genug war, zeigte es sich, daß sie ihn nicht betrog.
Das Schrecklichste, das einem Menschen, der auf Sandfelder seine Hoffnung setzt, geschehen kann, war eingetroffen. Sein Acker befand sich auf Reisen. Mit dem fröhlichen Leichtsinn und der geringen Anhänglichkeit an die Heimat, welche diesem Boden eigen ist, benutzte er die günstige Gelegenheit, andere Gegenden und frem de Länder zu sehen, aufs bereitwilligste. Der arme alte Schneider stieg auf den Sandberg und schaute stumm in das grausige Treiben. Es war heute einer der Glanztage des kleinen Hügels; er konnte dann im Stolz auf seine Proteusnatur stets sagen: »Wer ist unter den Sterblichen, der mich kennt, wie ich jetzt bin und wer
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