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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Son­nen­strah­len und dem aus­dör­ren­den Win­de in die Tie­fe zu­rück­zog. Je kla­rer der Him­mel leuch­te­te, je be­wölk­ter wa­ren sei­ne Zü­ge, bis end­lich der er­sehn­te Re­gen kam, meh­re­re Ta­ge an­hielt und einen freund­li­chen Schein über sein ab­ge­welk­tes Ge­sicht ver­brei­te­te.
    Die Kar­tof­feln muß­ten von ei­ner leicht­gläu­bi­gen und ver­trau­ens­se­li­gen Sor­te sein, denn sie lie­ßen sich durch die­sen Re­gen ver­lei­ten zu kei­men, nach ei­ni­ger Zeit streck­ten sie die ers­ten grü­nen Blät­ter aus dem San­de her­vor und schie­nen ge­son­nen, auch von den schwie­rigs­ten Um­stän­den sich nicht zu­rück­schre­cken zu las­sen. Ein war­mer Früh­ling und güns­ti­ge Re­gen­güs­se be­för­der­ten ihr Wachs­tum, und nun be­gann ei­ne neue Qual für den ar­men Schnei­der. Das bö­se Ge­wis­sen lei­te­te sei­ne Bli­cke mit dä­mo­ni­scher Macht im­mer auf ein­zel­ne sei­ner Pflan­zen, wel­che un­ter den an­de­ren durch ein vol­le­res Grün und üp­pi­ge­res Wachs­tum sich aus­zeich­ne­ten. Sei­ne Schuld wuchs aus dem Bo­den und je­des die­ser Ge­wäch­se war ei­ne grü­nen­de An­kla­ge.
    Das Kar­tof­fel­kraut moch­te et­wa die Hö­he von drei Zoll er­reicht ha­ben, und der Schnei­der dach­te schon dar an, ob es wohl Zeit sei zu häu­feln, da trat ei­ne große Dür­re ein. Der Him­mel glänz­te wie po­liert her­nie­der und ei­ne un­er­bitt­li­che Son­ne brann­te Tag für Tag auf das un­be­schütz­te Feld. Zu­wei­len rot­te­ten sich nach Mit­tag ei­ni­ge un­ter­neh­men­de Wol­ken zu­sam­men und ver­such­ten einen klei­nen An­griff; al­lein am Abend ga­ben sie scham­rot den Ver­such auf und die Son­ne ging sieg­reich un­ter. Ein­mal ge­lang es ih­nen, sich zu ei­nem Ku­mu­lus zu ver­ei­ni­gen, aber sie schie­nen we­nig Ver­trau­en in sich zu set­zen und hat­ten es sehr ei­lig. Im has­ti­gen Vor­über­schwe­ben be­kam das Sand­feld auch sei­nen Tri­but, ei­ni­ge schwe­re Trop­fen fie­len puff, puff auf das aus­ge­dörr­te Land, und je­der er­zeug­te ei­ne klei­ne Staub­wol­ke um sich her. Nach fünf Mi­nu­ten hat­te die gie­ri­ge Son­ne al­les wie­der auf­ge­so­gen. Bald war das gan­ze Land fuß­tief in ein fei­nes Pul­ver ver­wan­delt, das Kar­tof­fel­kraut nahm ei­ne gelb­grü­ne Far be an und leg­te sich. Jetzt muß­te ein schwe­rer, nach­hal­ti­ger Re­gen kom­men, oder al­les war ver­lo­ren.
    Das Queck­sil­ber des Ba­ro­me­ters, das wo­chen­lang mit ei­ner klei­nen Kup­pe ge­ziert zu im­mer hei­te­re­ren Hö­hen auf­ge­stie­gen war, fing plötz­lich an zu sin­ken. Dann ei­nes Mit­tags zog ein ge­wal­ti­ges Ge­wit­ter her­auf, blieb je­doch in der Fer­ne ste­hen und sand­te nur einen mäch­ti­gen Sturm her­über. Al­lent­hal­ben in der Wei­te sah man in dunklen Strei­fen den Re­gen aus dem Ge­wölk her­nie­der­ge­hen, nur hier war wei­ter nichts als das flat­tern­de Äch­zen der Bäu­me, und die We­ge, wel­che in die Stadt führ­ten, stan­den wie lan­ge, wo­gen­de Staub­mau­ern in der Land­schaft.
    Am Nach­mit­tag konn­te der Schnei­der es nicht län­ger aus­hal­ten und mach­te sich auf nach sei­nem Acker. Ein brei­ter gelb­li­cher Streif zeig­te sich ihm an der Stel­le, wo er sonst hin­ter dem Fel­de den dunklen Wald zu se­hen die Be­rech­ti­gung hat­te. Schlim­me Ah­nung be­flü­gel­te sei­ne Schrit­te, und als er na­he ge­nug war, zeig­te es sich, daß sie ihn nicht be­trog.
    Das Schreck­lichs­te, das ei­nem Men­schen, der auf Sand­fel­der sei­ne Hoff­nung setzt, ge­sche­hen kann, war ein­ge­trof­fen. Sein Acker be­fand sich auf Rei­sen. Mit dem fröh­li­chen Leicht­sinn und der ge­rin­gen An­häng­lich­keit an die Hei­mat, wel­che die­sem Bo­den ei­gen ist, be­nutz­te er die güns­ti­ge Ge­le­gen­heit, an­de­re Ge­gen­den und frem de Län­der zu se­hen, aufs be­reit­wil­ligs­te. Der ar­me al­te Schnei­der stieg auf den Sand­berg und schau­te stumm in das grau­si­ge Trei­ben. Es war heu­te ei­ner der Glanz­ta­ge des klei­nen Hü­gels; er konn­te dann im Stolz auf sei­ne Pro­teus­na­tur stets sa­gen: »Wer ist un­ter den Sterb­li­chen, der mich kennt, wie ich jetzt bin und wer

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