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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Spiel­zeit sehr an­ge­nehm. Ger­tru­de und Sy­bil muß­ten nun ih­re Ver­an­stal­tun­gen am Oui­ja-Brett al­lein fort­set­zen.
    Und jetzt wer­de ich Ih­nen er­zäh­len, was es mit dem klei­nen Um­stand auf sich hat, der mir und Mo­ni­ca ei­ne be­frie­di­gen­de Lö­sung die­ses nächt­li­chen Mys­te­ri­ums be­scher­te.
    Sie wer­den be­merkt ha­ben, daß Props dar­in ver­wi­ckelt war. Als ich ihn dar­auf­hin an­sprach, sag­te er scheu, daß er mir in die­sem Punk­te nicht wei­ter­hel­fen kön­ne. Er war ja ei­ne Zeit­lang dem un­er­klär­li­chen Zwang ver­fal­len ge­we­sen, sich be­trin­ken zu müs­sen, und sein Ver­stand hat­te voll­kom­men aus­ge­setzt, schon vor Be­ginn der Vor­stel­lung bis hin zu dem Au­gen­blick, wo er am En­de des ers­ten Ak­tes zu­sam­men mit F.F. an Gu­thries Leich­nam stand. Er er­in­ner­te sich nicht an den Oui­ja-Schre­cken oder an ir­gend­ein Wort, das er zu mir über Thea­ter und Zeit­ma­schi­nen ge­sagt hat­te.
    F.F. er­zähl­te uns, daß er Props nach dem letz­ten Auf­tritt des Geis­tes ge­se­hen ha­be, wie er – in der Dun­kel­heit nur va­ge er­kenn­bar – in die lee­re Re­qui­si­ten­kam­mer ge­schlurft sei, wo sie ein we­nig spä­ter Gu­thrie am Bo­den lie­gend ge­fun­den hat­ten. Ich glau­be, daß der selt­sa­me Blick, den F.F. – die­ser rea­li­tättrun­ke­ne al­te Schuft – dem Dok­tor zu­warf, nichts an­de­res an­deu­ten soll­te, als daß er selbst den Geist ge­spielt ha­be. Lei­der konn­te ich ihn des­we­gen nicht zur Re­de stel­len.
    Aber nun zu dem klei­nen Um­stand: Als sie Gu­thries Leich­nam fort­tru­gen und der Dok­tor den Rest von uns bat, zu­rück­zu­tre­ten, da dreh­te sich Props ge­hor­sam um, rich­te­te sich auf und warf Mo­ni­ca und mir einen viel­sa­gen­den Blick zu. Er schi­en vol­ler Mit­leid, lä­chel­te ernst und ver­wan­del­te sich für einen kur­z­en Au­gen­blick in den ewi­gen Be­ob­ach­ter der Le­bens­büh­ne, für den die­se klei ne Tra­gö­die nur ein Teil­chen im un­end­lich grö­ße­ren, end­los in­ter­es­sie­ren­den Le­bens­plan war.
    Es däm­mer­te mir in die­sem Mo­ment, daß Props es ge­we­sen sein konn­te, denn wäh­rend un­se­rer Su­che hat­te er mit größ­ter Auf­merk­sam­keit den Ein­gang zur lee­ren Re­qui­si­ten­kam­mer be­ob­ach­tet. Man kann das Ko­stüm des Geis­tes ja in Se­kun­den­schnel­le aus- oder an­zie­hen (ob­wohl Props’ Schul­tern einen Um­hang wie den von Gu­thrie kaum zu fül­len ver­mö­gen), und dann fiel mir noch ein, daß ich Props und den Geist kurz vor oder wäh­rend der Vor­stel­lung nie gleich­zei­tig ge­se­hen hat­te. Na­tür­lich, Gu­thrie war we­ni­ge Mi­nu­ten vor mir an­ge­kom­men … und ge­stor­ben … und Props, er­mu­tigt durch das Trin­ken, hat­te sei­ne Rol­le über­nom­men!
    Wie Props mir spä­ter er­zähl­te, hat­te Mo­ni­ca so­fort ge­wußt, daß es sein hoch­stir­ni­ges Ge­sicht war, auf das sie durch den grü­nen Schlei­er einen flüch­ti­gen Blick hat te wer­fen kön­nen.
    In die­ser Nacht wa­ren al­so vier Geis­ter auf der Büh­ne ge­we­sen – John Mc­Car­thy, Fran­cis Far­ley Scott, Gu­thrie Boyd und ein vier­ter, der die Rol­le wirk­lich ge­spielt hat. Ob Props nun einen Black­out hat­te oder nicht – er kann­te die Ver­se von den vie­len, vie­len ›Ham­let‹-Auf­füh­run­gen aus­wen­dig, de­nen er in sei­nem Le­ben schon bei­ge­wohnt hat­te, viel­leicht auch von be­gra­be­nen Er­in­ne­run­gen aus der Zeit, da er die Rol­le in den Ta­gen der Kö­ni­gin Eli­z­abeth I. ver­kör­pert hat­te – und folg­lich hat­te Bil­ly (oder Wil­ly) Simp­son oder ein­fach Wil­ly S. den Geist ge­spielt. Denn ein gu­ter Schau­spie­ler springt im Not­fall au­to­ma­tisch für einen an­de­ren ein.

Das ar­me al­te Ge­spenst von
Heinrich Seidel
     
     
    Hein­rich Sei­del (1842-1906) war ein Er­zäh­ler hu­mor­vol ler Klein­stadt­i­dyl­len und lie­bens­wer­ter Vor­stadt­ge­schich­ten, der mit sei­nen Er­zäh­lun­gen um Le­be­recht Hühn­chen ho he Auf­la­gen er­ziel­te. Er ar­bei­te­te nach ei­nem po­ly­tech­ni­schen Stu­di­um zu­erst als In­ge­nieur und mach­te sich als Kon­struk­teur des Hal­len­da­ches über

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