18 Geisterstories
über die Erscheinungszeit der Gespenster gebildet haben.
Die größte Plage für den armen, unglücklichen Schneider war die Langeweile, die entsetzliche, bodenlose, ewige Langeweile, welche sich seiner bemächtigte. Ohne Schlaf, ohne Abwechslung, ewig Tag und Nacht ruhelos auf dem kleinen Sandfelde umhergetrieben, dehnten sich ihm die Stunden zu endloser Länge. Dazu ward er von gespenstischen Empfindungen seiner früheren menschlichen Neigungen geplagt. Er empfand zu den bestimmten Zeiten einen gespenstischen Hunger und Durst, eine gespenstische Müdigkeit, ohne das Vermögen zu haben, diese Triebe zu befriedigen.
Am Tage saß er, wie gesagt, gern auf dem kleinen Hügel und spähte dann in die Landschaft hinaus und zu der Stadt hinüber, die fern hinter dem Wiesengrunde zwischen Bäumen versteckt lag, oder er wanderte ruhelos an der längst verwehten Scheide, welche die beiden verhängnisvollen Acker einst trennte, auf und ab. Die kleinen blauen Schmetterlinge, welche über dem Heidekraut ihr Wesen trieben, flogen ungehindert durch ihn hindurch, und eines Tages, als er gerade so stand, daß ein dürrer Zweig in seinen Leib hineinragte, kam ein kleiner Vogel geflogen, setzte sich auf diesen Zweig und sang. Das Tier saß genau in seinem Magen, ohne auch nur das geringste davon zu bemerken.
Eine andere Pein für den armen Schneider war, daß niemals des Nachts ein Mensch in diese Gegend kam, welchem gegenüber er in seinem Beruf hätte arbeiten können. Wenn er auch nur ein armes, altes und sehr kümmerliches Gespenst war, so hatte er doch den Ehrgeiz seines neuen Standes und es hätte ihm wohlgetan, was er im Leben nie erreicht hatte, nämlich einen Menschen fürchten zu machen, nach seinem Tode noch gelingen zu sehen. Aber die Gegend war wüst und einsam, es hatte am Tage niemand dort zu tun, und noch weniger des Nachts. So kam zu allem noch der nagende Kummer eines verfehlten Berufes und das niederschlagende Bewußtsein, für den besten Willen in der Welt ohne Anerkennung zu bleiben.
Aber die Zeit mag noch so langsamen Schneckenganges gehen – sie geht doch wenigstens, aus Wochen wurden Monate, aus Monaten Jahre, und immer noch schwebte das arme alte Gespenst einsam, verlassen, ohne Anerkennung an dem alten Ort.
Doch endlich in einer wundervollen, mondhellen Sommernacht sollte der langgehegte Wunsch in Erfüllung gehen. Der gespenstische Schneider saß gerade wieder auf seinem Hügel, da hörte sein feines Ohr im Walde ein Geräusch, und kurze Zeit darauf sah er eine menschliche Gestalt, vom Monde hell beleuchtet, auf das Sandfeld heraustreten. Die Gestalt schaute sich um und schritt dann auf den Hügel zu. Es schien ein Student zu sein, wie sich beim Näherkommen zeigte; er trug eine bunte Mütze und eine leichte Wandertasche. Das Gespenst zitterte an allen Gliedern vor Aufregung, es machte sich so lang es konnte, versuchte sich ein wenig aufzublasen und bemühte sich, schrecklich zu sein. Infolgedessen sah es über alle Begriffe komisch aus. Das fand auch der lustige Student, denn er lachte, als er es erblickte und rief: »Guten Abend, altes Gespenst, könnt Ihr mir nicht sagen, wo der Weg zur Stadt geht, ich habe mich verirrt!«
Das Schreckliche, was der arme Schneider im geheimen gefürchtet hatte, das Jämmerlichste, welches seinem Stande begegnen konnte, war eingetroffen, der erste Mensch, welcher ihn sah, fürchtete sich nicht einmal vor ihm. Doch so leicht wollte er es nicht aufgeben und noch einmal blies er sich auf, verzerrte seine Züge und begann feierlich auf den Studenten loszuschreiten. Doch dieser lachte wieder und sprach: »Ach laßt das nur. alter Herr, es kleidet Euch nicht. Ihr habt Euern Beruf
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