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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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un­gleich ver­teilt sind die Gü­ter die­ser Welt!
    Nach ei­ni­gen Ta­gen ging der Schnei­der wie­der hin­aus, um sein Land um­zu­gra­ben. Wohl­aus­ge­brei­tet, ei­ner Samt­de­cke ver­gleich­bar, lag jetzt das nach­bar­li­che Gut auf dem Fel­de. Der Schnei­der seufz­te wie­der und be­gann sei­ne Ar­beit. Aber der kräf­ti­ge Duft, der vom Ne­ben­lan de zu ihm her­über­weh­te, ließ ihm kei­ne Ru­he und be­fruch­te­te sei­ne Fan­ta­sie. Er sah im Geis­te bei­de Fel­der ne­ben­ein­an­der­lie­gen, das ei­ne grün und üp­pig be­wal­det, daß man den Grund nicht sah, das an­de­re mit nied­ri­gen, gelb­grü­nen Bü­schen be­setzt, so daß man sie ver­glei­chen konn­te den bei­den Tie­ren, wel­che so flei­ßig für ihr Ge­dei­hen ge­ar­bei­tet hat­ten. Der Ge­dan­ke ließ ihm kei­ne Ru­he und zu dem Dä­mon der Hab­sucht ge­sell­te sich der des Nei­des. Und aus bei­der Ver­mäh­lung ward die Un­tat ge­bo­ren, wel­che dem ar­men Schnei­der so ver­häng­nis­voll wer­den soll­te. Er war der ehr­lichs­te Schnei­der von der Welt ge­we­sen, und sei­ne Höl­le war leer ge­blie­ben bis auf die­sen Tag. Selbst als er dem rei­chen durch­rei­sen­den Herrn den Rock ge­macht hat­te von dem feins­ten Tu­che der Welt, der­glei­chen er nie zu­vor und nie nach­dem ge­se­hen hat­te, be­hielt er nichts zu­rück, als, mit Er­laub­nis des Frem­den, ein klei­nes Fleck­chen, das ihm für die­sen me­te­orglän­zen­den Hö­he­punkt sei­ner Lauf­bahn als Be­weis­stück diente. Es lag zu Hau­se, in sie­ben Pa­pie­re ein­ge­wi­ckelt, wohl­ver­wahrt in ei­ner Schach­tel. Aber der Mensch soll sich hü­ten, bö­sen Lei­den­schaf­ten die Ein­kehr in sein Herz zu ge­stat­ten.
    Er hat­te auf­ge­hört zu gra­ben und sah sich vor­sich­tig um, dann stieg er auf einen Stein und reck­te sich und schau­te in die Fer­ne, daß er mit sei­ner dün­nen Ge­stalt wie ein ein­sa­mes Aus­ru­fungs­zei­chen in der Land­schaft stand. Aber es war rings­her­um nie­mand zu se­hen, nur ein in Nah­rungs­sor­gen ver­tief­ter Storch stelz­te in ei­nem fer­nen Wie­sen­grun­de um­her. Der Schnei­der brach­te einen Busch zwi­schen sich und die­sen Storch und schau­te wie­der auf den Ne­be­n­acker. Wie das köst­lich und ver­hei­ßungs­voll dalag! Dann sah er sich noch ein­mal vor­sich­tig um und schlich auf das schüs­ter­li­che Feld. Nach kur­z­er Prü­fung schob er sein Grab­scheit be­hut­sam un­ter ei­nes je­ner fla­chen Ge­bil­de, wel­che, wie all­ge­mein be­kannt, nur der Kuh in die­ser Vollen­dung ge­lin­gen und schleu­der­te es auf sei­nen Acker. Ei­ne ge­schick­te Ver­tei­lung des um­her­lie­gen­den Ma­te­ri­als ließ die ent­stan­de­ne Lücke ver­schwin­den, und bald war die letz­te Spur der Tat un­ter dem San­de ver­bor­gen. Mit ei­nem Ma­le ge­sch­ah ein Klap­pern auf der Wie­se, der Storch hüpf­te mit aus­ge­streck­ten Bei­nen ei­ne Wei­le über das Gras, hob sich dann em­por und flog auf die Stadt zu. Der Schnei­der schrak zu­sam­men und zit­ter­te, ihm war, als ha­be der klu­ge Vo­gel al­les ge­se­hen und ei­le ihn an­zu­kla­gen. Doch der Schreck leg­te sich, und da nun der ers­te Schritt ge­tan war, so folg­ten ihm noch man­che an­de­re, wo­bei der vor­sich­ti­ge Schatz­dieb je­doch al­le­mal be­strebt war, die Spu­ren sei­ner Tat sorg­lich zu ver­ber­gen.
    Sie blieb auch un­ent­deckt. Am an­de­ren Ta­ge schick­te der Schus­ter sei­ne Ge­sel­len und sein Mäd­chen hin­aus, und die­se gru­ben wohl­ge­mut den Acker um, oh­ne im ge­rings­ten an der­glei­chen zu den­ken. Dem ar­men Schnei­der fiel ein Stein vom Her­zen, als in der nächs­ten Zeit al­les still blieb. Die Ru­he sei­nes Ge­müts aber war und blieb ver­schwun­den. Es war, als ob ein dä­mo­ni­sches Et­was ihn im­mer zu dem Kar­tof­fel­fel­de hin­zö­ge, wo die Jung­fräu­lich­keit sei­ner ehr­li­chen Ge­sin­nung ne­ben so ge­ring­fü­gi­gen und nied­ri­gen Ge­gen­stän­den be­gra­ben lag. Des Abends, wenn es dun­kel ward, sah man ihn den Feld­weg ent­lang schlei­chen und in den Him­mel nach Wol­ken spä­hen. Von Zeit zu Zeit bohr­te er mit dem Fuß im mah­len­den San­de, bis er auf die Feuch­tig­keit kam, die sich vor den

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