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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ver­fehlt. Warum habt Ihr kein an­de­res Me­tier er­grif­fen,– als Ge­spenst wer­det Ihr es nie zu et­was brin­gen!«
    Das war zu­viel für den ar­men Schnei­der, er stieß einen weh­mü­ti­gen Kla­ge­laut aus, sank auf ei­ne Baum­wur­zel nie­der und ver­barg das Ge­sicht in bei­den Hän­den. Der Stu­dent war ei­ne mit­lei­di­ge See­le.
    »Was habt Ihr denn, al­tes Phan­tom?« frag­te er lieb reich und setz­te sich zu ihm, »wenn ich Euch hel­fen kann, so tue ich es gern, ich ha­be zu Ber­lin die Schwarz­kunst stu­diert und fürch­te mich vor nichts.« Der Stu­dent re­de­te ihm so freund­lich zu, daß der ar­me al­te Schnei­der das Ge­spenst der Rüh­rung emp­fand und al­les her­un­ter­beich­te­te, was er auf der See­le hat­te. Es war das ers­te­mal, daß er sei­ne Schuld of­fen­bar­te. Und wie er sprach und sich selbst an­klag­te, ward sei­ne Dunst­ge­stalt im­mer blas­ser und blas­ser und die letz­ten Wor­te er­schall­ten nur noch wie aus lee­rer Luft. Das blo­ße Ge­ständ­nis hat­te ihn be­freit. Dann hör­te der Stu­dent es in ei­ni­ger Ent­fer­nung aus den Lüf­ten tö­nen: »Dank, Dank, du hast mich er­löst.« Dann von Zeit zu Zeit, aus der Rich­tung, wo die Stadt lag, kam im­mer fer­ner und lei­ser ein Ruf: »Dank … Dank … Dank!« Zu­letzt nur noch wie ein Hauch, dann war al­les rund­her­um still.
    Der Stu­dent saß lan­ge nach­denk­lich auf dem Hü­gel und schau­te der Rich­tung nach, wo er die Stim­me zu­letzt ge­hört hat­te. Im Os­ten rö­te­te sich der Him­mel, und als die Son­ne em­por­stieg und rings al­les wie­der im glän­zen­den Licht dalag, brach er einen Zweig von der al­ten Kie­fer, steck­te ihn an sei­ne Müt­ze und wan­der­te auf die Stadt zu, wel­che im Schim­mer der Mor­gen­son­ne vor ihm lag.

Die Klau­sen­burg von
Ludwig Tieck
     
     
    »Selbst die schöns­te Ge­gend hat Ge­spens­ter, die durch un­ser Herz schrei­ten, sie kann so selt­sa­me Ah­nun­gen, so ver­wirr­te Schat­ten durch un­se­re Fan­ta­sie ja­gen, daß wir ihr ent­flie­hen und uns in das Ge­tüm­mel der Welt hin­ein ret­ten möch­ten …« So ent­steht nach den Wor­ten des Ro­man­ti­kers Lud­wig Tieck (1773-1853) das Wun­der­ba­re in der Poe­sie, aus dem al­le ro­man­ti­sche Dich­tung er­wächst, »in­dem wir die un­ge­heu­re Lee­re, das furcht­ba­re Cha­os mit Ge­stal­ten be­völ­kern«. Und so be­mäch­tigt sich die­ser ab­grün­di­gen Mär­chen­welt auch das Grau­si­ge und Schreck­li­che, das Selt­sa­me, Gro­tes­ke und Dä­mo­ni­sche. Mär­chen wie ›Der blon­de Eck­bert‹ und der ›Ru­nen­berg‹ (1802) ha­ben nichts mehr mit der Nai­vi­tät des Volks­mär­chens ge­mein­sam und füh­ren be­reits in das ent­frem­de­te Grau­en zwi­schen Traum und Wahn­sinn. Das Sam­mel­werk ›Phan­ta­sus‹ (1812-1816) lei­te­te in Tiecks rea­lis­ti­sche Spät­zeit über, in der die No­vel­len­form vor­herrscht. Sei­ne zahl­rei­chen spä­ten No­vel­len ver­mit­teln ei­ne sich im Ge­sprächs­s­til ent­wi­ckeln­de rea­lis­ti­sche Welt­sicht, die den­noch nicht Tiecks ins Bi­zar­re und Ge­spens­ti­sche ab­schwei­fen­de Fan­ta­sie gänz­lich ver­leug­nen kann. Ei­ne ech­te ›Ge­spens­ter-Ge­schich­te‹ ist ›Die Klau­sen­burg‹ aus dem Jah­re 1837.
     
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    Es war fast Mit­ter­nacht. Sie wird heut nicht mehr kom­men, sag­te der jun­ge Graf, das Schloß liegt ihr zu fern, das Wet­ter ist un­ge­wiß, die We­ge sind nicht die bes­ten.
    Und, rief der jun­ge An­selm, was wet­ten wir, daß sie den­noch er­scheint, trotz al­len Ih­ren Be­fürch­tun­gen? denn sie reist gern in der Nacht, sie hat es ver­spro­chen und setzt al­les an ihr Wort.
    Wet­ten? ant­wor­te­te Graf Theo­dor, ich bin kein Freund da­von, aber ich wün­sche, daß Ih­re Vor­her­sa­gung, Ba­ron, die Sie so dreist aus­spre­chen, in Er­fül­lung geht; denn wir ge­win­nen al­le, wenn Sie recht be­hal­ten.
    Und tritt der Fall nicht im­mer ein? rief der hoch­mü­ti­ge An­selm mit schnödem To­ne.
    Wenn Sie Ih­rer Sa­che so über­aus ge­wiß sind, rief Theo­dor ihm ent­ge­gen, so tun Sie we­nigs­tens un­recht, Wet­ten an­zu­bie­ten.
    An­selm sag­te: wenn Sie es scheu­en, Geld zu wa­gen, so lie­ße

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