18 Geisterstories
übermütige Anselm triumphierte jetzt um so mehr, und als der Angekommene die sonderbare Sache vernahm, neckte er den kleinen Mann mit seiner verlorenen Wette so sehr, daß Blomberg endlich ausrief: Nun will ich aber beschwören, daß unsere eigensinnige Sidonie heute gar nicht mehr anlangt! Sie setzt etwas darein, alles immer anders zu tun, als die übrigen Menschen, oder als man es erwarten darf.
Das weiß der Himmel, sagte Blinden, indem er sich am heißen Weine erquickte; das hat keiner so sehr empfunden als ich, so lang ich ihr Vormund war. Sie hat ein wahres Studium daraus gemacht, denen Menschen, welche sie ihre Freunde nennt, das Leben sauer zu machen. Gnade Gott dem Ärmsten, der sich einmal zu ihrem Liebhaber aufwerfen möchte, oder noch schlimmer, wen sie einmal zu lieben vorgeben sollte. Lieber Galeerensklave sein.
Aller Blicke wendeten sich in scharfer Beobachtung zugleich auf den jungen Grafen Theodor, und Anselm, der keine Gelegenheit vermied, seinen Übermut zu zeigen, lachte laut. Theodor, der schon gereizt war, ging auf den lachenden jungen Mann mit drohendem Auge zu, indem er überlaut fragte: Darf man wissen oder erfahren, was Sie zu diesem übermäßigen Gelächter bewegt?
Nichts anders, erwiderte Anselm ganz trocken, als die Betrachtung, daß es doch immer wieder die Liebe ist, die alles verwirrt und in Bewegung setzt. So dachte ich denn eben, wie hübsch sich die, so oft nur allzu langweilige politische Geschichte ausnehmen müsse, wenn man sie einmal von dieser Seite darstellte, und alle jene unsichtbaren Fäden sichtbar machte, die der sogenannte Amor knüpft und löst, häufig die ernstesten Minister und Herrscher an der Nase führt oder gängelt, und, wie oft, hinter der Maske spielt, die der betrogenen Welt ein ganz ehrbares Gesicht entgegen richtet.
Das ist ja schon genug geschehen, sagte der alte Blomberg, was Sie da wünschen. Sie sind nur, junger Herr, in Memoiren und Klatschgeschichten zu wenig belesen. Was will man nicht alles von Franz dem Ersten, dem Dritten und Vierten Heinrich, den Medicäern, Ludwig dem Vierzehnten, von einigen spanischen Tyrannen und dem englischen Carl und Jakob dem Zweiten wissen. Wie vieles auch wahr ist, so haben doch manche Zungen, die nur lästern mögen, gerade dadurch die Sachen entstellt, daß sie bloß die Ausschweifung als Motiv und Verknüpfung aller Begebenheit erzählten.
Sehr wahr! rief der alte Blinden: und wenn wir alle hier, die Besten im Saale nicht ausgenommen, Regenten wären, wie viele Lügen würde man von uns erzählen, da wir schon in unserm Privatstande der Verleumdung nicht entgehen können. Erinnern Sie sich, lieber Blomberg, was Ihre Neider in Ihrer Jugend sich hinterrücks zuraunten, was man über mich lästerte, ja unsere ehrwürdige Wirtin wurde nicht verschont, und es gibt ja böse Menschen genug, zu denen ich selbst in manchen Stunden gehöre, die Sidonchen ebenfalls scharf hernehmen.
Da die Baronin sah, daß Theodor schon wieder auffahren wollte, suchte sie das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu lenken, indem sie sagte: Aber Graf Blomberg könnte uns doch die Geschichte zu Ende erzählen, die grade beim interessantesten Punkte abgebrochen wurde.
Graf Blinden, welcher nicht ermüdet schien, fragte nach der Geschichte und Blomberg sagte: Lieber Freund, es ist eine Art von Gespensterhistörchen, eine der Erzählungen, in welchen die guten redlichen Geister eben so verleumdet und verklatscht werden, wie regierende Häupter oder angesehene Menschen. So, daß es scheint, es gibt nirgendwo Ruhe und Sicherheit vor dieser allgemeinen Verlästerung.
Wenn es die Geister von namhaften Leuten sind, antwortete Blinden, so
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