18 Geisterstories
sich ja auch die Frage anders stellen.
Thedor stand auf, als wenn er dem Redenden näher treten wollte, die Wirtin des Hauses aber, welche diesen Ungestüm der beiden jungen hochfahrenden Männer fürchtete, begütigte sie beide, indem sie das Gespräch auf andere Gegenstände richtete. Sie forderte einen ältlichen, kleinen Mann auf, in der Geschichte, welche zufällig war unterbrochen worden, fortzufahren, doch dieser sagte mit einer schlauen Miene: Verehrte Baronin, es möchte in diesem Augenblicke zu spät sein, denn vom Tale herauf höre ich schon ein Posthorn klingen, und jetzt möchte ich auch darauf wetten, daß in weniger als einer Viertelstunde die schöne Sidonie hier im Saale stehen wird.
Sie hören? sagte Theodor; ich vernehme nichts, und es ist nur eine Einbildung von Ihnen.
Herr Oberforstmeister, rief der kleine Mann, allen Respekt vor Ihren Talenten und den Gaben aller hier Anwesenden, was aber Ohren betrifft, so meine ich, daß keiner der Verehrten hier sich in Feinheit noch Größe derselben mit den meinigen wird messen können: und darum höre ich so richtig in die Ferne hinein.
Alle lachten, denn sie kannten die Art und Weise des Alten, dessen Scherz darin bestand, sich immer selber preiszugeben, und Blößen und Fehler an sich zu ersinnen, die jeder andere, auch wenn er an ihnen litt, geflissentlich ableugnete. Ein solcher Gesellschafter ist immer beliebt, weil er keiner Eitelkeit in den Weg tritt, und sich geschmeichelt fühlt, wenn man über ihn lacht. Der alte Freiherr Blomberg hatte aber recht, denn so wie der Reisewagen langsam den steilen Berg hinanfuhr, hörten alle das mahnende Posthorn, bald schwächer, bald deutlicher, je nachdem der Weg sich krümmte, oder der Wind die Töne über den Wald hin verwehte. Die Wirtin schellte, und die Bedienten eilten hinaus, um den edlen, wohlbekannten Gast zu empfangen.
Wer wettet jetzt mit mir, rief der alte Blomberg laut, daß Fräulein Sidonie ankommt?
Indem alle mit Heiterkeit dem Alten Beifall zunickten, stand Anselm hastig auf und rief: so wett’ ich denn hundert Dukaten, daß sie in dieser Viertelstunde noch nicht kommt!
So! rief Blomberg und hielt die Hand hin, in welche Anselm einschlug. Indem sich alle noch verwundert und die beiden törichten Menschen fast mit höhnischen Blic ken anschauten, rissen die Diener die Türen auf, und eine große, mit vielen Kleidern und Tüchern verhüllte Gestalt folgte ihnen langsam und laut fluchend. Da alle fast erschraken, nahm der Fremde Reisemütze, Kopftuch und Mantel ab, und ein altes, blasses Gesicht kam zum Vorschein, welches allen, im ersten Augenblick, ganz unbekannt schien. Er sah sich etwas scheu im Saale um und rief dann: Nun? mir ist, als wenn ich hier ganz unerwartet käme! Kein Mensch will mir willkommen! sagen? Und meine Nichte Sidonie ist auch noch nicht hier?
Ei, Graf Blinden! rief die Wirtin jetzt aus, und eilte auf ihn zu: wie kommen Sie zu uns? wir hatten Sie nicht erwartet. Und freilich haben Sie sich in den fünf Jahren verändert, in welchen ich Sie nicht gesehen habe.
Das läßt sich denken, sagte der Alte und nahm in einem Sessel behaglich Platz, indes sich die übrige Gesellschaft um ihn her stellte. Ich bin eben erst von einer sehr schweren Krankheit genesen, ich reise in das Bad, und wollte mich bei Ihnen, Cousine, ein paar Tage ausruhen. Und ganz ähnlich sieht das meiner Sidonie, daß sie mich nicht gemeldet hat, wie ich ihr doch auftrug, denn sie weiß es schon seit einer Woche, daß ich herkommen will.
Für den alten, von der Reise erschöpften Mann wurde sogleich Glühwein zubereitet, und der alte Blomberg hat te dessen kein Hehl, wie verdrießlich er darüber sei, daß er so gegen alle Wahrscheinlichkeit sein Geld verloren hat te. Der schon
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