18 Geisterstories
Freunden ertragen konnte, vernahm ich denn, daß sie an einer unheilbaren Krankheit leide und von ihren Ärzten schon aufgegeben sei. Wie wunderlich spielt das Schicksal mit dem Menschen und allen menschlichen Absichten. In dieser höchsten Not, so sagte man mir, hätte mir der Vater gern seine Tochter gegeben, wenn er dadurch sein geliebtes Kind nur hätte retten können. Er wollte sich über die Meinung der Welt und über die Einrede seiner Familie hinwegsetzen, wenn ihm durch diesen festen Entschluß seine Juliane nur könne gerettet werden, durch deren Krankheit er erst erfahren hatte, wie er sie liebe, wie sie mit seinem Herzen verwachsen sei. – Alles war umsonst, sie starb in Schmerzen und nach mir rufend, und der trostlose Vater rief mir seine Flüche nach, die mich auch einholen werden, o ja, so wie ihre Verwünschungen.
– So ungefähr äußerte sich damals die Leidenschaft meines unglücklichen Freundes. Er erzählte mir noch zum Beschluß, daß sein ganzes Vermögen verlorengehe, wenn sich nicht ein Dokument vorfände, das er schon seit langem suche, aber nirgends, in keinem seiner Schränke entdecken könne.
Es gibt Leiden, bei denen es töricht ist, nur den Versuch zu machen, um Trost einzusprechen. Solche Schmerzen müssen sich selbst durchleben, sie gehören zum Menschen, und wer ihnen nicht erliegt, wer sie übersteht, wird späterhin einsehen, daß diese hohe Schule durchzuarbeiten zu seinem Heile notwendig war.
Ich bin überzeugt, sagte mein Freund nach einigen Tagen, als ich von ihm Abschied nahm, daß diese Flüche, diese Prophezeiungen der Furie mich finden werden. Mein Leben wird sich in Krankheit, Elend, Wahnsinn und Armut verzehren. Der Geist der Abgeschiedenen wird auf meinem Pfade in meine Fußtapfen treten und Gift säen, wo vielleicht noch eine Freude aufsprießen möchte. –
Jetzt fing ich an zu trösten und aus allen Gegenden Hoffnung und Beruhigung herbeizurufen, weil dergleichen Befürchtungen nur allgemein poetische sind, die sich bekämpfen lassen. Die Hoffnung ist wenigstens noch unendlicher, als die weitumgreifende Ahndung dieser gespenstischen Furcht. – Wir trennten uns, und ich erfuhr lange nichts von meinem Franz. Ich war im Auslande und kehrte erst nach einigen Jahren zurück.
Wir hatten uns nicht geschrieben, und als ich nun wieder in meinem Wohnsitze mich behaglich fand, wie überraschte und erfreute mich sein erster Brief. Keine Spur mehr der alten Leiden; alles war vergessen. Durch die Zeit und das Glück war mein Franz zu einem wahrhaft neuen Menschen geworden. – Er schrieb mir nämlich von seiner bevorstehenden Hochzeit. Das schönste Mädchen der Provinz, jung, heiter und unschuldig, hatte ihm ihre Liebe zugewendet: er hatte an demselben Tage, nach Jahren, jenes ihm so wichtige Dokument aufgefunden, als das schönste Brautgeschenk seines vollendeten Glücks. Jene trübe Zeit, so meldete er mir, sei in seinem Geiste nun völlig erloschen, eine neue Jugend blühe ihm auf und er fange jetzt erst an zu leben. In acht Tagen soll te seine Hochzeit gefeiert werden, und er lud mich dringend ein, zu ihm zu kommen, um Zeuge seines Glückes zu sein.
Gern wäre ich diesem Rufe gefolgt, wenn mich nicht mein Oheim, der auf dem Sterbebette lag, vierzig Meilen weit von hier hinweg gerufen hätte. Der Fürst, der unsern Freund am meisten haßte und verfolgte, war auch seitdem gestorben, und so ließ es sich denn nach aller menschlichen Aussicht und Berechnung so an, daß alles Ahnungsvolle, Drohende, Unheilbringende verlöscht, eingeschlafen und vergessen sei und sich Geister des Glückes und der Lust vor den Lebenswagen unsers Freundes spannen würden. –
Hier schwieg der Erzähler, und Graf Blinden fragte: Ist
Weitere Kostenlose Bücher