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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Ge­schäf­te hat­te ich mei­nen Franz so gut wie ver­ges­sen. Er hat­te mir nichts ge­schrie­ben, ich hat­te nichts von ihm ver­nom­men, und so war ich denn über­zeugt, daß es ihm gut ge­he, daß er ver­hei­ra­tet sei und sich in sei­ner neu­en Le­bens­bahn glück­lich füh­le. Ich mach­te hier­auf, weil ich ein­mal der Schweiz na­he war, noch in die­ser ei­ne Rei­se zu mei­nem Ver­gnü­gen, und be­such­te nach­her ein Bad am Rhein, zu wel­chem mir mein Dok­tor schon seit län­ge­rer Zeit ge­ra­ten hat­te.
    Hier über­ließ ich mich den Zer­streu­un­gen und ge­noß auf Spa­zier­gän­gen die schö­ne Na­tur. Mir war lan­ge nicht so wohl ge­we­sen. In­dem ich an der Wirts­ta­fel die Bade­lis­te zu­fäl­lig in die Hand neh­me, se­he ich, daß mein Freund Franz schon seit acht Ta­gen im Ba­de sich mit sei­ner Gat­tin auf­hält. Ich ver­wun­der­te mich sehr dar­über, daß er mich nicht so­gleich auf­ge­sucht hat­te, da ihm in der Lis­te mein Na­me doch auf­ge­fal­len sein muß­te. In­des­sen sag­te ich zu mir sel­ber, er hat die Blät­ter viel­leicht nicht mit Auf­merk­sam­keit ge­le­sen, er hat mich nicht nen­nen hö­ren, er ist viel­leicht ernst­haft krank und sieht nur we­ni­ge Ge­sell­schaft. So be­ru­higt, such­te ich ihn in sei­ner Woh­nung auf, und man sag­te mir, er sei nicht zu Hau­se. Ich hof­fe, ihn auf dem Spa­zier­gan­ge zu tref­fen, aber ich wer­de ihn nir­gends ge­wahr. Als ich am fol­gen­den Ta­ge wie­der bei ihm Vor­fra­ge, – die­sel­be Ant­wort – er sei aus­ge­gan­gen. Ich ge­be mei­ne Kar­te ab, mit dem Er­su­chen, er sol­le zu mir kom­men oder schi­cken, um wel­che Zeit er mei­nen Be­such an­neh­men wol­le. Ich er­fah­re nichts. Früh ge­he ich wie­der bei ihm vor, und der Be­dien­te sagt mir wie­der mit ei­nem be­küm­mer­ten Ge­sicht, sein Herr sei schon aus­ge­gan­gen.
    Nun sah ich wohl ein, daß Franz mich nicht spre­chen wol­le und daß er sich vor mir ver­leug­nen las­se. Ich ging al­le mei­ne Er­in­ne­run­gen durch, ob und wie ich ihn kön­ne be­lei­digt ha­ben, aber auch bei der über­stren­gen Nach­for­schung fand sich auch nicht der kleins­te Fle­cken, in Hin­sicht sei­ner, in mei­nem Ge­wis­sen. Ich schrieb ihm al­so einen et­was emp­find­li­chen Brief, und for­der­te es, nicht bloß als Zei­chen der Freund­schaft, son­dern der Ach­tung zu­gleich, die er sich selbst schul­dig sei, daß er mei­nen Be­such an­neh­men sol­le und müs­se.
    Man öff­ne­te mir, als ich wie­der vor der Tür er­schi­en. Als ich im Zim­mer ei­ne Wei­le ge­war­tet hat­te, kommt aus der Schlaf­kam­mer ein Frem­der her­ein, kein Mann, son­dern ein wan­ken­des, zit­tern­des Ge­rip­pe, mit ein­ge­fal­le­nem lei­chen­blas­sen Ant­litz, das, wenn nicht die bren­nen­den Au­gen ge­we­sen, man für einen To­ten­schä­del hät­te hal­ten kön­nen. Großer Gott! rief ich mit Ent­set­zen aus, denn ich er­kann­te nun in die­sem Ge­spenst mei­nen Franz, die­sen ehe­mals so schö­nen, so lie­bens­wür­di­gen Mann.
    Ich war er­schre­ckend in einen Ses­sel ge­sun­ken, und er setz­te sich jetzt eben­falls zu mir nie­der, nahm mei­ne Hand in sei­ne dür­re, und sag­te: Ja, so, mein Blom­berg, sehn wir uns wie­der, und du be­greifst jetzt wohl, warum ich dir die­sen trau­ri­gen An­blick er­spa­ren woll­te. Ja, Freund, al­le je­ne Flü­che sind in Er­fül­lung ge­gan­gen, das Elend hat mich ein­ge­holt, so rüs­tig ich ihm auch vor­an­ge­eilt war, ich bin zum To­de krank, mei­ne jun­ge Frau, die ein Mus­ter­bild der Schön­heit war, nicht min­der, ich bin ein Bett­ler, und al­les ist vor­über.
    Ich konn­te mich im­mer noch von mei­nem Er­stau­nen nicht er­ho­len; nach je­nem ei­si­gen, ers­ten Schre­cken trat jetzt das tiefs­te Mit­lei­den, ein un­aus­sprech­li­ches Er­bar­men in mei­ne See­le, und der un­glück­li­che Freund sah mei­ne Trä­nen flie­ßen. Aber wie, wie ist al­les dies mög­lich ge­wor­den? rief ich aus, sprich! er­zäh­le! tei­le dich dei­nem Freun­de mit. – Ver­scho­ne mich, sag­te er mit mat­ter Stim me, wer­fen wir einen Vor­hang über al­le die­se Trau­er, denn was kann es dir from­men, das Wie und Warum zu er­fah­ren. Du wür­dest nicht be­grei­fen, nicht

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