18 Geisterstories
Blicke aus dem Wege gehn? Warum ließ ich mich betören, Blick mit Blick und nachher Wort mit Wort zu erwidern? Ja, sie war liebenswert, edel und schön, aber in meinem Herzen erhob sich mit den besseren Gefühlen auch die Eitelkeit, daß gerade sie, die höchste, es war, die mich so auszeichnete. Nun trat ich näher, dreister, bestimmter, und mein geläutertes, hochgestimmtes Gefühl überraschte und gewann sie. Sie schenkte mir ihr Vertrauen. Ihr Herz war so schon und groß; ach! alle diese Jugendgefühle so zart und innig; es war ein Paradies, was sich uns beiden auftat. Wir glaubten, kindisch genug, es könne kein höheres Glück auf dieser Erde uns geboten werden, diese himmlische Gegenwart, der Moment genügte uns. Nun erwachte aber in meinem Herzen die Leidenschaft. Das hatte sie nicht erwartet, sie erschrak und zog sich zurück. Das stachelte meine Eigenliebe, ich fühlte mich unglücklich, zerstört, der Krankheit nahe. Das erbarmte sie, sie kam mir wieder näher. Durch eine vertraute Kammerfrau ward es uns möglich, uns oft ohne Zeugen zu sehn und zu sprechen. Unser Verständnis war inniger, unsre Liebe gewisser und zärtlicher, aber da diese Gefühle in Worte gefaßt und bewußter ausgesprochen wurden, so war auch auf immerdar jener paradiesische Hauch, jener überirdische Duft verschwunden. Es war ein Glück, aber ein anderes, irdischer, freundlicher, vertraulicher, aber nicht von jener Magie umgeben, die mich in der früheren Zeit entzückt hatte, so daß ich mich wohl oft im stillen fragen konnte: Bist du denn glücklich? – Ach! mein Freund! indem wir uns oft sahen – wieviel Entwür fe, törichte und wahnsinnige, wurden da gemacht! Es war von unserer Zukunft die Rede, an welche der schwärmend Liebende in den ersten Zeiten seiner Entzückung niemals denkt. Einmal schien eine Gelegenheit sich anzubieten, sie zur Ehre des Hauses zu vermählen. Da erwachte Wut und böser Hader in mir. Sie ward von meinem Zorn bis in das innerste Herz mißhandelt, da es schien, als wenn sie dieser glänzenden Verbindung nicht abgeneigt wäre. Ich war schlecht in meiner Leidenschaft, und tief fühlte sie meine Entartung, mehr in ihrer Liebe um meinetwillen, als ihrer Schmerzen wegen. Oh, sie hat dieses Bild meiner Raserei niemals wieder in ihrer Seele vertilgen können. Um mir die Schmerzen gut zu machen und mich ganz zu versöhnen, stieg sie zu meinem geringern wildern Wesen herab. Unsre Herzen hatten sich wieder ganz ausgesöhnt, aber mit Sehnsucht sah ich aus den schwefelgelben Gewitterwolken, die mich jetzt umgaben, nach jener Himmelsklarheit zurück, die mich anfangs so blendend angestrahlt hatte. Wir lebten in unserm Dünkel wie Verlobte und träumten von unserer Vermählung, von unerwartetem Glück, von Freuden aller Art und Wendungen des Schicksals, die niemals eintreffen konnten. Aber wir tappten im Nebel umher und hielten das Unmöglichste für nahe und natürlich.
Diese Angewöhnung in unsrer Liebe vertilgte allgemach die nötige Vorsicht. Die Augen der Späher erwachten und schärften sich an unsrer Unvorsichtigkeit. Gerüchte entstanden, die den Herrn selbst vielleicht niemals erreicht hätten, wenn nicht sein eigener Blick unser Verhältnis geahndet und erraten hätte. Nun vernahm er auf seine halben Fragen mehr, als er wissen wollte, und weit mehr, als mit der Wahrheit verträglich war. Er ließ mich zu sich kommen, ganz allein in sein Kabinett. An diesem feierlichen Abend enthüllte sich mir die Schönheit seiner großen Seele. Ohne mir Vorwürfe zu machen, maß er sich selbst die nächste Schuld meiner Anmaßung bei, daß er mich mit zu großem Vertrauen fast wie einen Sohn behandelt habe, daß er für mich so viel vom Herkommen und
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