18 Geisterstories
wofür sich diese doch ausgibt, kommt dergleichen nicht vor. Denn was wir bis jetzt von dieser Zigeunerin, der Sibylle, dem väterlichen Fluch und dergleichen mehr vernommen haben, macht keinen großen Eindruck. Alles dieser Art ist nur von einer zweideutigen Wirkung, denn der Leser oder Zuhörer muß dem Erzähler schon mit gutem, ja sogar dem besten Willen entgegenkommen, damit nur eine Täuschung, geschweige ein tiefer erschütternder Eindruck möglich werde. Jene Poesien und Märchen aber, die darauf ausgehen, uns Schauder und Entsetzen zu erregen, verabscheue ich geradezu, und sie waren mir schon in meiner Kindheit verhaßt. Gibt es etwas Unsinnigeres, als daß ich mir freiwillig ein Gefühl errege, welches mich peinigt, ängstigt und quält? Ich verlange von der Dichtung, daß sie mich in einen behaglichen Zustand versetze, der mich die Wirren und Ängste des wirklichen Lebens vergessen macht. Darum rühren mich auch jene fantastischen Märchen niemals.
Weil es Ihnen wohl an Fantasie gebricht, versetzte Theodor. Wer bloß Schreck und Angst empfindet, und wem in jenem süßen Grauen sich nicht das Rätsel des Lebens in einem halbverständlichen Wunder darlegt, der kann freilich zu jener geistigen Region keine Einlaßkarte bekommen.
Da geraten wir, sagte Anselm höhnisch, freilich auf jene bahnlosen Schmuggler-Pfade, auf welchen so viele ästhetische Contrebandiers verdächtige und verbotene Ware aus dem Gebiet des Unsinns in das Land der Vernunft hinüberpaschen wollen.
Theodor wollte wiederum antworten, aber die alte Baronin nahm das Wort, indem sie freundlich sagte: Meine Freunde, wir Frauen verstehen nichts von diesen gelehrten Disputen, Sie müssen uns erlauben, uns an dergleichen wie die Kinder zu ergötzen. O es ist gar so hübsch, in guter Gesellschaft sich so recht zu fürchten, vor dem Schatten an der Wand zu erschrecken, uns bei jedem Geräusch umzusehen und endlich mit Grauen und Angst in das Bett zu steigen. Wird man recht übermannt, so muß wohl gar unter allerhand Vorwänden die Kammerjungfer in derselben Stube schlafen, und man spricht und fragt, um sich zu überzeugen, daß sie noch da ist. Wir sterbli chen Menschen haben gar seltsame und gar mannigfalti ge Vergnügungen, und wen soll man darum schelten, daß wir so eingerichtet sind?
Meine Freunde, fing Blomberg jetzt, indem sich alle in der Gegend des Kamins niedergelassen hatten und das Zimmer nur von zwei Kerzen und dem flackernden Feuer erhellt war, mit einiger Feierlichkeit an: wie meine Erzählung wirken, ob sie interessant sein mag, kann ich nicht verbürgen, ich kann nur bekräftigen, daß ich sie für wahr halte, und daß ich, wie Sie gesehn haben, einiges davon selber mit erlebt habe. Wie man es auslegen, inwiefern man mir glauben mag, welche Konsequenzen man daraus ziehen will, ob dieser und jener es für Erfindung erklären möchte, alles dies kümmert mich nicht sonderlich. –
Der Aufenthalt bei meinem todkranken Oheim zog sich in die Länge. Seine Qual währte länger, als seine Ärzte es vermutet hatten, und es war mir beruhigend, daß meine Gegenwart ihm so tröstend und hilfreich sein konnte. Als er gestorben war, hatte ich viel zu tun, seine Verlassenschaft zu ordnen, mich mit den übrigen Verwandten, da mir ein Teil des Vermögens zufiel, zu einigen und alles so einzurichten, daß wir alle befriedigt und ohne Streit auseinandergingen. Über diese Angelegenheit, da das Geschäft zugleich verschiedene Reisen notwendig machte, war mehr als ein Jahr, fast achtzehn Monate waren darüber verflossen. Die Reisen hatten mich weit von dieser Gegend hinweg geführt, und gesteh’ ich es nur, in diesen Verhältnissen und im Drang der
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