18 Geisterstories
Redekunst erniedrigt! O ihr Männer, die ihr durch eure Kraft diese weichen Wesen zu Engeln erheben oder zu wildsinnigen Trunkenen verwandeln könnt! Doch diese Betrachtungen kamen zu spät. Waren ihre Briefe schon leidenschaftlich gewesen, so waren die Reden ihres Mundes noch viel ungestümer und stürmischer. Nur meine Liebe, nichts weiter in der ganzen weiten Welt verlangte sie. Für sie gab es keine Rücksichten mehr. Flucht in die Welt hinein, Verletzung ihres Rufs, Kränkung des Vaters und ihres Hauses, alles war ihr jetzt recht und erwünscht. Ich erschrak vor diesem Taumel, der keine Scheu mehr anerkennen wollte. Je milder ich war, je mehr ich ihr die unabweisliche Notwendigkeit deutlich machen wollte, um so wahnsinniger ward ihre Rede und Gebärde. Gleich wollte sie mit mir entfliehn. Es bedurfte nur, das fühlte ich, des ausgesprochenen Wunsches, so ergab sie sich mir in diesem Taumel ganz und unbedingt. Ich war im tiefsten Herzen elend, ja vernichtet in allen meinen Kräften.
Ich erfuhr, daß der Fürst nur in Andeutungen mit ihr gesprochen hatte: das Wichtigste wußte sie nur aus meinen Briefen. Sie schalt auf mich, ihren Vater und das Schicksal, und erst, als sie einen Strom von Tränen vergossen hatte, war sie etwas mehr beruhigt. Ich mußte ihr versprechen, nach einigen Tagen wiederzukommen, um dann die Mittel zu unserer Flucht verabreden zu können. Also war es nun so weit gekommen, daß ich mich vor dieser angebeteten Juliane fürchten, ja daß ich sie verachten mußte. Und doch war sie dieselbe, und nur diese unselige Leidenschaft, die ich aus meinem Herzen in das ihrige gegossen hatte, machte sie zu diesem furchtbaren Wahnbilde. Ich zitterte, sie wieder zu sehen. Ich wußte nicht mehr, welche Worte ich ihr sagen, welchen Aufschub, oder welche Entschuldigung ich ersinnen sollte. Einige Wochen vergingen so, in denen wir nur Briefe wechselten. Um zu endigen: ich ging wieder zu ihr. Sie schien mir krank, aber noch in derselben Aufregung, die keine vernünftigen Gründe zulassen wollte. Sie hatte einen Wagen besorgt, ihre Juwelen verpackt, an der Grenze Anstalten getroffen, Pässe angeschafft, Beschützer in fernen Gegenden in Anspruch genommen, kurz alles getan, was der Wahnsinn einer unbegrenzten Liebe nur immer unternehmen mag. Ich behandelte sie als Kranke, die um sich nicht weiß, und gab ihr in allen Ausschweifungen recht und lobte alle ihre höchst wunderlichen Pläne. So glaubte sie dann mit mir einig zu sein, und in acht Tagen, während einer glänzenden Maskerade, indem alle Menschen beschäftigt und zugleich unkenntlich waren, wollten wir entfliehn. Ich bewilligte alles, um sie nur für den Augenblick zu beruhigen, nahm mir aber im stillen vor, den Hof und die Stadt zu verlassen. Indem wir noch so unsere höchst vernünftigen Projekte verhandelten, gewahrte ich plötzlich den Fürsten hinter mir, der schon eine geraume Zeit unserer Unterredung zugehört hatte. Die Szene, welche nun vorfiel, mag ich nicht beschreiben. Des Vaters Zorn überstieg alle Grenzen, weil er mich wortbrüchig vorfand und der Überzeugung war, ich sei ganz mit dem wilden Plane seiner Tochter einverstanden. Sie warf sich zu seinen Füßen; ganz dem früheren schönen Bilde unähnlich, war sie, wie von Federn eine mechanische Figur in gewaltsame Bewegung gesetzt wird, eine Gestalt, deren Leben sich nur in den krampfhaftesten Gebärden kund tut. Es ist zu verwundern, daß man manche Momente überlebt. – Ich ward verbannt, mußte in die Einsamkeit entfliehn und hörte lange nichts von der Stadt und den dortigen Begebenheiten, weil ich alle Menschen vermied. Als ich wieder zur Besinnung kam und den Anblick von
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