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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Be­tra­gen hat­te mich ver­letzt, und ich konn­te mein In­ne­res nicht deut­lich er­grün­den, ob ich sie wirk­lich lie be. Als ich, von ei­nem Platz­re­gen über­rascht, zu Hann­chen ein­trat, er­wach­te mei­ne vor­ma­li­ge, ech­te Lie­be in ih­rer gan­zen Kraft, und ich wur­de völ­lig ver­wirrt. So kam ich an das ver­wüs­te­te Schloß und trat in der Mit­ter­nacht vor die Pfor­te. Schon als Kind hat­te ich zu­wei­len an je­nem Ei­sen­draht ge­zo­gen und so we­nig, wie and­re Neu­gie­ri­ge, ei­ne Wir­kung ver­spürt. Miß­mu­tig griff mei­ne Hand in den Ring, ich zog scharf – und ein lau­ter, wun­der­li­cher Ton er­klang, den ich nicht be­schrei­ben kann. Er wie­der­hol­te sich in der Fer­ne und dann wie­der in grö­ße­rer Wei­te, und das al­te ver­ros­te­te Tor tat sich auf. Ich trat hin­ein, es ver­schloß sich hin­ter mir, und ich war mit ei­nem al­ten blas­sen Müt­ter­chen al­lein, die mir mit ei­ner La­ter­ne in das Ge­sicht leuch­te­te, dann wink­te sie mir, ihr zu fol­gen. Und von jetzt an, wie soll ich den Zu­stand be­schrei­ben, wel­cher mich jetzt be­herrsch­te? Es war kei­ne Be­täu­bung, aber auch kein deut­li­ches Be­wußt­sein. Fast wie ein Tau­mel oder Rausch oder ei­ne An­nä­he­rung zum Schlum­mer. Und so folg­te ich der krum­men Al­ten. Der Hof war aber nicht der Hof; das Ge­sträuch, die Moos­wän­de, der Efeu und das wil­de Ge­strüpp zwi­schen dem um­her­lie­gen­den Ge­stein wa­ren ver­schwun­den, wir wan­del­ten durch al­te ho­he Zim­mer und Sä­le. In dem einen Zim­mer war ein Bett und auf dem Tisch ei­ne bren­nen­de Ker­ze. Die blas­se Al­te ver­ließ mich. Das dunkle Ge­mach war spar­sam er­hellt, und der Mond schi­en bleich durch das trü­be Fens­ter. In ei­ner Ni­sche des Zim­mers stand die Büs­te ei­nes al­ten Man­nes, wie aus Mar­mor ge­ar­bei­tet. In­dem ich mich so um­se­he, schrei­tet das auf mich zu, wel­ches ich für ein stei­ner­nes Brust­bild ge­hal­ten hat­te. Ich bin dein Vor­fahr Mo­ritz, sag­te die hoch­auf­ge­rich­te­te Ge­stalt, und mein Grau­en vor ihm war nur schwach und ver­schwand. Du sollst Frie­de und Ru­he ge­nie­ßen, und so wer­den wir al­le die Ru­he fin­den. So tön­te es dumpf, mir aber ver­ständ­lich, aus sei­nem krei­de­wei­ßen Mun­de. Er wink­te, und hin­ter dem Ses­sel wi­ckel­te sich ei­ne scheuß­li­che Ge­stalt her­vor, ganz so im An­sehn, wie uns je­ne Er­nes­ti­ne be­schrie­ben wur­de. Sie hat­te einen off­nen Brief in der Hand: Lies! krächz­te sie, und ich er­griff mit zit­tern­dem Un­ge­stüm das Blatt. – Öff­ne den Schrank! sag­te der Al­te. Sie tat es und nahm vie­le Pa­pie­re her­vor. – Ich nahm sie. Ver­söhnt! rie­fen bei­de, und zwei hol­de Ge­stal­ten, die der Al­te Franz und Eli­sa­beth nann­te, schweb­ten vor­über. – Rund um­her stan­den jetzt vie­le blei­che Er­schei­nun­gen, die Wän­de und Fens­ter zu ver­de­cken schie­nen. Al­les schwirr­te, flüs­ter­te, lis­pel­te mir wie Flü­gel­schlag, wie ein fei­nes Brau­sen und Säu­seln da­zwi­schen. So weit reicht mein Be­wußt­sein, mei­ne letz­te schwa­che Er­in­ne­rung war, daß ich mir ein­bil­de­te, ich sei auf das Bett ge­sun­ken.
    Ein Frost er­weck­te mich. Es war kla­rer Mor­gen, und ich lag auf ei­nem Stein in der Rui­ne, der vom Re­gen und Mor­gen­tau naß war. Ich hät­te jetzt al­les für Traum er­klärt, wenn ich nicht je­ne lang ver­miß­ten Do­ku­men­te, die mir das Er­be zu­si­cher­ten, in Hän­den ge­hal­ten hät­te so­wie je­nen Brief, den mir die ver­zerr­te Ge­stalt auf den Be­fehl mei­nes Ahn­herrn über­ge­ben hat­te. Er war von Si­do­nie und ent­deck­te mir ein in­ni­ges Ver­hält­nis mit An­selm und wie man künf­tig mei­ne Schwach­heit und mei­nen Ein­fluß auf den jun­gen Fürs­ten hat­te miß­brau­chen wol­len. In­dem ich noch las, sann und staun­te, ar­bei­te­te sich der jun­ge Forst­mann Wer­ner durch die Klip­pen und Ge­sträu­che, um je­nen Brief zu su­chen, den ihm am Abend, wie er er­zähl­te, ein Ge­spenst ent­ris­sen hat­te.
    Ich schick­te die­sen Bo­ten mit je­nem Schrei­ben und ei­nem Brie­fe von mei­ner Hand an Si­do­nie zu­rück. Ich ging zu Hann­chen, von dort in die Re­si­denz

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