18 Geisterstories
Schweigen, dem sie sich überlassen hatten, »bald werden wir uns trennen – vielleicht auf immer! Daß Kastiliens öde Steppen und die einfachen patriarchalischen Sitten hierzulande dir nicht zusagen, weiß ich ja, Auch hab’ ich schon oft dich seufzen hören – vielleicht nach irgendeinem hübschen Junker aus deiner fernen Heimat …«
Beatrix antwortete mit einer Gebärde kalter Gleichgültigkeit, und in diesem verächtlichen Zusammenziehen ihrer schmalen Lippen enthüllte sich der ganze Charakter des Fräuleins.
»Vielleicht sehnst du dich auch nach dem Prunk des französischen Hofes – du hast ja all die Zeit über dort gelebt«, beeilte sich der Junker hinzuzufügen. »Jedenfalls, wie es auch sei – ich ahne, daß ich dich bald verlieren werde … Ich möchte dir gern ein Andenken von mir mitgeben … Erinnerst du dich noch – als wir zur Kirche gingen, um Gott für deine Genesung zu danken, derentwegen du ja hierhergekommen? Damals zog diese Spange hier, mit der die Feder an meinem Barett befestigt war, deine Aufmerksamkeit auf sich … Wie schön wäre es, wenn sie dazu diente, einen Schleier auf deinem schwarzen Haar festzuhalten! Sie hat schon einmal einen Brautschleier getragen: mein Vater schenkte sie der Frau, der ich mein Leben verdanke, und sie trug sie, als sie zum Altar ging … Magst du sie haben?«
»Ich weiß nicht, wie ihr hierzulande darüber denkt«, entgegnete die Schöne. »Aber in meiner Heimat verpflichtet ein Geschenk, das man annimmt. Höchstens an gewissen Feiertagen darf man sich von einem Verwandten etwas schenken lassen … und selbst dann könnte es diesem einfallen, nach Rom zu gehen und nicht mit leeren Händen zurückzukommen!«
Der eisige Ton, mit dem Beatrix dies sagte, setzte den Junker einen Augenblick in Verwirrung. Als er sich wieder gefaßt hatte, sagte er betrübt:
»Ja, ich weiß es, Base. Heute aber feiern wir Allerheiligen und darunter auch deine Patronin. Heute ist solch ein Feiertag, an dem man Geschenke annehmen darf. – Also willst du das meine haben?«
Beatrix biß sich leicht auf die Lippen und streckte, ohne ein Wort zu sagen, die Hand nach dem Kleinod aus.
Wieder versanken die beiden jungen Leute in Schweigen. Wieder vernahmen sie das behaglich dahinplätschernde Geschwätz der Matronen, die von Hexen und Kobolden erzählten, das Heulen des Windes, das Klirren der Fensterscheiben, das dumpfe, eintönige Läuten der Kirchenglocken …
Nach Minuten nahm Alfons das unterbrochene Gespräch wieder auf.
»Und bevor der Allerheiligentag zu Ende geht, – willst du mir nicht auch ein Andenken geben?« sagte er, seiner Base in die Augen schauend. »Heute kannst du es doch, ohne dich irgendwie zu verpflichten, – heute, wo man ebenso wie deinen auch meinen Heiligen feiert!«
In ihren Augen blitzte ein teuflischer Gedanke auf.
»Weshalb nicht!« erwiderte sie, nach ihrer rechten Schulter tastend, als ob sie etwas in den Falten ihres weiten, goldverbrämten Samtärmels suche … Dann aber rief sie, mit einem kindlichen Ausdruck des Bedauerns:
»Erinnerst du dich noch der blauen Schärpe, die ich heute bei der Jagd trug? Du sagtest mir ja noch, ihre Farbe sei aus irgendwelchem Grunde das Sinnbild deiner Seele …«
»Ja.«
»Denke dir: ich hab’ sie verloren! Gerade diese wollte ich dir zum Andenken schenken – und nun hab’ ich sie verloren!«
»Verloren? Wo verloren?« fragte Alfons und sprang auf, mit einem unbeschreiblichen Ausdruck angstvoller Erwartung.
»Ich weiß nicht … vielleicht auf dem Berge.«
»Auf dem Geisterberg?« stammelte er erbleichend und ließ sich wieder in den Sessel zurückfallen. »Auf dem Geisterberg!«
Dann fuhr er stockend und dumpfen Tones fort:
»Du weißt es
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