18 Geisterstories
einst den Tempelherren, deren Kloster du dort am Ufer des Flusses siehst. Die Templer waren Ritter und Mönche zugleich. Nachdem Soria den Mauren wieder entrissen worden war, ließ der König sie aus fernem Lande kommen, damit sie die Stadt auf der Brückenseite verteidigten. Damit aber fügte er den kastilischen Edlen eine schwere Kränkung zu, sie hätten die Stadt auch allein verteidigen können, da sie sie auch erobert hatten!
Zwischen den Rittern des neuen, mächtigen Ordens und den Adeligen der Stadt gärte es einige Jahre lang, – schließlich aber brach der wilde Haß wie ein Unwetter los.
Die Templer hatten den Berg eingehegt und behielten sich dort die ergiebige Jagd vor, um ihre Bedürfnisse decken und ihrem Hang nach Wohlleben frönen zu können. Der Adel aber beschloß, dort eine große Treibjagd zu veranstalten – trotz des strengen Verbotes der ›gespornten Pfaffen‹, wie sie ihre Feinde nannten.
Die Herausforderung sprach sich herum. Nichts war imstande, die einen von ihrer Jagdlust abzuhalten, noch die anderen von ihrem Vorsatz, diese zu stören. Das geplante Unternehmen wurde wirklich ausgeführt … Die Raubtiere jedoch, auf die es abgesehen war, haben nicht viel davon zu spüren bekommen. Wohl aber all die vielen Mütter, die um ihrer Söhne willen Trauerkleider anlegten, – ja, denen wird noch alles gegenwärtig sein! Das war keine Jagd: ein furchtbares Gemetzel war es! Mit Leichen besät war der Berg, und die Wölfe, die man hatte ausrotten wollen, hielten ein blutiges Festmahl.
Zuletzt sprach der König ein Machtwort: der Berg, als unselige Veranlassung so vielen Unheils, wurde für herrenlos erklärt und die Kapelle der Templer, die auf jenem Berge lag und in deren Vorhof man Freund und Feind bunt durcheinander begraben hatte, begann zu verfallen.
Seit jener Zeit soll man in jeder Nacht auf Allerseelen hören können, wie das Glöcklein der Kapelle ganz von selbst anfängt zu läuten … und die Geister der Toten, in ihre zerfetzten Schweißtücher gehüllt, sollen zwischen Busch und Dorn umherrennen – eine fantastische Jagd … Die Hirsche schreien vor Schrecken, die Wölfe heulen, die Schlangen zischen grauenhaft – und am andern Tage hat man schon oft im Schnee Abdrücke gesehen – Fußspuren der Knochenmänner! Daher heißt er in Soria der Geisterberg – und deswegen hab’ ich zum Heimweg geraten, bevor die Nacht anbricht.«
Alfons schloß gerade seine Erzählung, als die beiden jungen Leute an der Brücke anlangten, die von jener Seite aus in die Stadt führt. Sie warteten dort auf die übrige Gesellschaft, und als sie alle wieder beisammen waren, ritten sie durchs Tor und verloren sich in den engen, düsteren Gassen Sorias.
Die Diener waren gerade mit dem Abräumen der Tafel fertig. Der hohe gotische Kamin im Palast der Grafen von Alcudiel strahlte einen belebenden Schein aus und beleuchtete die Gruppen der Damen und Herren, die vertraulich plaudernd rings um das Feuer saßen. Der Wind peitschte gegen die kleinen, bleigefaßten Fensterscheiben der Halle.
Nur zwei Personen schienen an der allgemeinen Unterhaltung keinen Anteil zu nehmen: Beatrix und Alfons. Beatrix starrte, in Gedanken versunken, auf die lustig flackernden Flammen, und Alfons beobachtete, wie sich die rote Glut in den blauen Augen seiner Base spiegelte.
Beide verharrten eine Weile in tiefem Schweigen.
Einige ältere Damen erzählten gelegentlich der Allerseelennacht traurige Geschichten, in denen Geister und Gespenster die Hauptrolle spielten. Und dumpf und eintönig klangen von fern die Glockenschläge der Kirche Sorias herüber.
»Schöne Base«, unterbrach Alfons endlich das lange
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